Die Büste von Gustav Walter in der Wiener Staatsoper.
Foto: Privat

Gustav Walter – Jahrhundertsänger aus dem Sudetenland

Einer der größten Tenöre des 19. Jahrhunderts

Er beherrschte über hundert Opernrollen und sang 2.420mal erste Partien an der Hofoper in Wien, wo er 31 Jahre lang von 1856 bis 1887 wirkte: der Sudetendeutsche Sänger Gustav Walter. Der 1834 im nordböhmischen Bilin geborene Walter war der größte lyrische Tenor in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der große Liebling des Wiener Publikums.

Ein Gastbeitrag von Wilfried Dessovic

Als Tenor bestritt er auch die Rolle des Don Ottavio in der Oper Don Giovanni – eine seiner Paraderollen – bei der Eröffnung des neuen Opernhauses am Ring, dessen hundertjähriges Bestehen im Vorjahr wieder mit einer sehr gut besetzten Giovanni-Aufführung gefeiert wurde.
Gustav Walter war k. k. Hofopern-, Hofkapellen- und Kammersänger, auch ein viel gesuchter Lied-, Konzert- und Oratoriensänger. Als solcher erhielt er früh die Ehrenmitgliedschaft der Hofoper und des Wiener Musikvereins. Für letzteren sang er auch 1870 bei der Eröffnung des neuen Musikvereinsgebäudes im Goldenen Saal, aber auch beim Einweihungskonzert im kleineren Brahmssaal, begleitet von Clara Schumann im selben Jahr.

Unübertroffener Schubertsänger

Berühmt wurde Walter auf seinen Gastspielreisen in ganz Europa. Der Sänger gilt auch als der eigentliche Erfinder des eigenständigen Konzerttypus‘ der „Liederabende“ und wurde auch vor allem als größter Schubertsänger seiner Zeit gefeiert. Als eigenständiger Konzertgeber veranstaltete Walter im Bösendorfersaal von 1875 bis 1897 seine von höchsten Kreisen besuchten Liederabende vor immer ausverkauftem Hause. Ausspruch aus einer Wiener Zeitung dieser Zeit: „Wiens Liedergott heißt nun einmal Franz Schubert und sein Prophet Gustav Walter.“
Der Komponist Richard Wagner ließ seine „Schmiedelieder“ aus der Oper Siegfried im Theater an der Wien von Gustav Walter erstmalig präsentieren, und als Liebling der Wiener rettete er mit seinem Auftritt als „Stolzing“ die damals umstrittene Erstaufführung der „Meistersinger“ am 27.2.1870 in der Hofoper mit seiner viel bewunderten lyrischen Tenorstimme. Auch andere Wagnerrollen gab er bei Erstaufführungen zum besten, z. B. den Eric im „Fliegenden Holländer 1860.

Johannes Brahms’ Leibtenor

Rund 55 Lieder ließ Johannes Brahms von dem von ihm sehr geschätzten Freund aus der Taufe heben.
Bei einigen Konzerten sang er auch zusammen mit seiner begabten Tochter Minna Walter, von Brahms begleitet am Klavier, so auch bei der Erstaufführung von Brahms bekannten „Zigeunerliedern“ am 24.3.1888. Nach der Erstaufführung des „Rinaldo“ 1869 meinte der Tondichter „Walter sang die Partie (des Rinaldo) außerordentlich schön“. Auch der Komponist Antonin Dvorak schätzte Walter über alles und widmete ihm seine „Zigeunermelodien“ op. 55.
Folgende Rollen galten als seine Paradepartien: Wilhelm Meister (mit 104 Auftritten), der Faust von Gounod (103), Tamino (102), Romeo (93), Ottavio (80), Eric (69), die Rolle des Assad in Goldmarks Oper „Die Königin von Saba“, die der Komponist für Walter geschaffen hatte (51) und der Lohengrin mit 50 Auftritten, um nur seine wichtigsten zu nennen. Im heurigen Beethoven-Gedenkjahr ist jedoch auch zu erwähnen, daß Walter die Rolle des Florestan im Fidelio 59mal viel umjubelt verkörpert hat.

Namensgeber für Kunstschule

Zum 100. Todestag 2010 widmete ihm das leider inzwischen wieder aufgelöste Staatsopernmuseum eine Gedenkausstellung, die anschließend in Walters Geburtsstadt Bilin erfolgreich präsentiert wurde.
Dort hat man aus diesem Anlaß die bedeutendste Kunstschule Nordböhmens in „Gustav Walter Grundkunstschule (in tschechischer Sprache) umbenannt und ihm eine Gedenktafel mit seinem Bildnis gewidmet. Auch ein Gedenkkonzert wurde in diesem Gedenktodesjahr in der Wiener Minoritenkirche veranstaltet. An diesem beteiligten sich Musiker aus Bilin. Eine Kranzniederlegung auf Walters Grab am Zentralfriedhof (Gr. 16E, R10, Nr. 6) rundete das Gedenken ab.
Von Walters schöner Stimme existieren fünf alte Schellakaufnahmen aus den Jahren 1904 und 1906, Raritäten aus der Frühzeit der Aufnahmetechnik.

Walters begabte Familie

Walters Gattin Laura war die Tochter von Olivier Freiherr von Loudon und der Schauspielerin Wilhelmine Haag. Zwei seiner drei Kinder schlugen die Sängerlaufbahn ein. Sein Sohn, Dr. Raoul Walter, geb. 1863, war königlich bayrischer Kammersänger und Regisseur, 26 Jahre lang der gefeierte erste lyrische Tenor am königlichen Hoftheater in München. Raouls Tochter ehelichte den bekannten Tenor Julius Patzak. Gustavs Tochter Wilhelmine, geb. 1859, als k. k. Opernsängerin „Minna Walter“, besaß eine helle, schöne, dramatische Sopranstimme und sang hauptsächlich in den Opernhäusern Wien, Graz und Frankfurt. In letzterem Hause glänzte sie u.a. in verschiedenen Wagner-Partien bei Erstaufführungen. Nach der Verehelichung mit dem k. k. Truchseß Karl Pfeiffer Edler v. Weissenegg beendete sie ihre steile Karriere, um sich am Schloß Ottensheim ihren Kindern zu widmen, wo sie auch sehr jung 1901 im Alter von 42 Jahren starb.

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