Grillen – die „martialische“ deutsche Garmethode

von Reinhild Bauer

Brauchtum (16)

Sommer, Sonne, laue Nächte – was verlockt mehr zum Grillen im Garten, am öffentlichen Grillplatz oder am Balkon, ob mit offenem Feuer, Grillstelle, Gasgrill oder Kugelgrill?
In den letzten Jahrzehnten entwickelte sich in Deutschland diese urtümliche, „martialische“ Form des Garens zu einer Art Sport, der insbesondere von Männern ausgeübt wird.
Es scheint den Utensilien in Bau- und Supermarkt nach eine  ausgesprochen moderne Erscheinung zu sein: Spezialgeräte, Spezialkohle, außergewöhnliches Fleisch mit spezieller Würze sollen uns diese Form der Speisezubereitung als etwas köstlich Originelles, Modernes und vor allem Amerikanisches darstellen.

Aber falsch gedacht! 1404 wurde die „Thüringer Rostbratwurst“ erstmals urkundlich erwähnt und noch einige Jahre früher das „Nürnberger Bratwurstglöcklein“. Das Grillen gilt als älteste Form des Garens von Fleisch und ist seit der Zähmung des Feuers vor rund 300.000 Jahren eine auf dem ganzen Erdball verbreitete Garmethode. Funden zufolge nimmt man an, daß sich die alten Germanen größtenteils von Fleisch ernährten. Dieses wurde aus Mangel an Kochgefäßen oft einfach über dem Feuer an einem Spieß, auf einem heißen Stein oder auf einer Art Rost gegrillt.

Man geht davon aus, daß erst die oft ärmlichen Verhältnisse im Mittelalter den Menschen das Grillen vergällten, weil dabei das Fett ins Feuer tropft und somit verschwendet ist. Zudem war Fleisch im Mittelalter ein Luxusgut, das sich nur wenige leisten konnten. Das Grillen wurde ein dem Adel vorbehaltenes Privileg. Der Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg führte in Deutschland auch zu einem Grillaufschwung. Zugegeben ist die Erfindung des Kugelgrills mitverantwortlich, der mit den US-Amerikanern nach Deutschland kam. Bald überholte die deutsche Versuchslaune jedoch das amerikanische Grillen. Heute gilt Deutschland als das Land des Grillens schlechthin, und neben Fleisch werden längst auch andere Lebensmittel wie Brot, Gemüse, Käse und Kartoffeln auf dem Feuer gegart. Daß Grillen keine amerikanische Mode ist, beweist auch die Herkunft des Wortes, welches sich von dem lateinischen „craticulum“ ableitet, was soviel wie „kleiner Rost“ bedeutet und eher auf germanisch-römische Interaktion hinweist.

Grillen ist damit weder typisch amerikanisch noch eine Modeerscheinung. Je nach Betrachtung und Ausübung kann Grillen als alte Kulturform der Nahrungszubereitung im deutschen Raum gesehen werden. Die Grillkultur stellt zwar gewiß nicht den geistigen Ausdruck oder gar Höhepunkt unseres Volkes dar, noch kann es als Förderung traditionellen Brauchtums angesehen werden – trotzdem kann jeder Deutsche, der seine Wurst auf einem Spieß über dem Feuer dreht, sicher sein, es damit seinen Ahnen vor vielen Jahrhunderten gleichzutun. Mahlzeit!

Über die Autorin:

28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.

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