Glöckeln im Ausseerland – Glück für Leib und Seele

Brauchtum (4)

von Reinhild Bauer

Das Glöckeln ist ein weit verbreiteter Brauch in den Alpenländern, jedoch regional unterschiedlich überliefert und gestaltet. Allen Glöckelbräuchen ist gemein, daß sie am 5. Jänner begangen werden – dem Tag vor der letzten Rauhnacht – und als Vertreibung der bösen Wintergeister und Dämonen dienen. Im Ausseerland erfreut sich dieser Brauch bis heute besonderer Beliebtheit und ist in seiner Ausprägung einzigartig.

Das Glöckeln hat sich hier als „Heischebrauch“ etabliert. Am frühen Morgen ziehen Kinder mit Kuhglocken und liebevoll bestickten Leinenbeuteln los. Vor den Häusern wird mächtig Lärm geschlagen und um eine Gabe gebeten. Mit etwas Glück öffnet sich daraufhin die Türe, und die Kinder werden mit dem traditionellen selbstgebackenen Glöckelkrapfen oder Obst beschenkt. Als Alternative werden immer häufiger käuflich erworbene Faschingskrapfen (Berliner) gereicht. Zum Dank wünschen die Kinder den Hausbewohnern ein frohes, glückliches neues Jahr.

Wenn die Dämmerung hereinbricht, übernehmen die Erwachsenen das Geistervertreiben. Mit alten Lumpen verkleidet, einem Fetzen als Maske vor dem Gesicht und mit stattlichen Kuhglocken ausgerüstet ziehen sie ebenfalls lärmend von Haus zu Haus. Sie erhalten jedoch keine Naschereien, sondern werden ins Haus gebeten und mit hochprozentigen Getränken bewirtet. Die  „Berigln“ dürfen unter keinen Umständen ihre Identität preisgeben: Selbst wenn der Wirt längst erraten hat, welcher Nachbar sich unter der Larve verbirgt, darf der Berigl nicht mit seinem Namen angesprochen werden – so will es der Brauch. Punkt Mitternacht endet der Spuk, die Masken dürfen gelüftet werden und die heilige Dreikönigsnacht bricht an.

Zur Herkunft des Brauches wissen die Alten zu berichten, daß es vor allem arme Leute waren, die so die zur Neige gehenden Wintervorräte aufbessern konnten. Im Gegenzug erhielten die reichen Bauern Glückwünsche für das neue Jahr und konnten nach den wilden Rauhnächten ruhig schlafen, da alle bösen Wintergeister und Dämonen um ihre Häuser gründlich vertrieben worden waren. Bis heute hat sich der Glaube erhalten, daß den Bewohnern des am häufigsten besuchten Hauses in kommenden Jahr besonders viel Glück zuteil werde.

Das lange Zeit geltende Bettelverbot hatte am 5. Jänner einen gesetzlichen Ausnahmetag definiert, der den Brauch des Glöckelns ermöglichte und zugleich in seiner Bedeutung steigerte. Bis heute ist dieser Tag ein Glücksbringer für Groß und Klein, für Arm und Reich geblieben und bringt nach den stillen, dunklen Jahreszeiten wieder Leben ins Dorf.

Über die Autorin:

28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.

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