Geschichte des Rheinischen Elsaß

Historische Elemente einer gemeinsamen Kultur am Oberrhein

Seit Jahrzehnten vermittelt der Verfasser in vielen Büchern, was das Elsaß einst ausmachte und was es wieder sein könne und sein solle: eine Region mit nicht wegzuleugnender deutscher Identität in Frankreich. Der deutsche pfälzisch-fränkisch-alemannische Dialekt wird heute zwar z. B. durch manche Straßenschilder aufgewertet, im Alltag aber fast ganz an den Rand gedrängt. Kaum noch 5% der Kinder verfügen über Kenntnisse des Deutschen. Ähnlich wie in Südtirol war der wirtschaftliche Aufschwung enorm – doch der Preis dafür ist hoch: Die elsässische Eigentümlichkeit ist fast verloren.

Pierre Klein träumt von einer geistigen Brücke über den Rhein und zitiert den elsässischen Dichter René Schikkele: „Das Land der Vogesen und das Land des Schwarzwaldes waren wie zwei Seiten eines aufgeschlagenen Buches – ich sah deutlich vor mir, wie der Rhein sie nicht trennte, sondern sie vereinte, indem er sie mit einer starken Falte zusammenhielt (…) “. Das ist das Hauptanliegen dieses Buches, die Menschen von beiden Seiten zusammenzuführen, ihnen Wissensgrundlagen über ihre gemeinsame Vergangenheit, Kultur und Sprache anzubieten, die Grenze zu einem Ort der Begegnung und des Austausches zwischen politischen Institutionen und Bevölkerungsgruppen zu machen. Ist die deutsch-französische Zweisprachigkeit nicht das beste Werkzeug dafür?

Der Rhein war nie eine kulturelle Grenze, da die Menschen an beiden Ufern dieselbe Sprache, nämlich die deutsche, in der Mundart und in der Hochsprache schriftlich und mündlich verwendeten. Viele dieser oft für ganz Europa wichtig gewordenen Schriftsteller, Architekten, Maler, Handwerker, Bauern, Lehrer, Händler, Philosophen und Geistlichen werden nach Zeitaltern und Sachgebieten gruppiert und kurz mit ihren Werken dargestellt. Das Buch gibt damit einen Überblick über fast zweitausend Jahre sprachlicher und kultureller Kontinuität: von Jakob Amann (Begründer der Wiedertäuferbewegung der Amischen) über Friederike von Brion (Freundin und Muse des in Straßburg studierenden Goethes) bis zum in Untergrombach geborenen revolutionären Bauernführer Jos Fritz (Initiator der Bundschuhbewegung). Ein Literaturkapitel beschreibt nach Gattungsperioden die Leistungen der deutschen Dichtung im Elsaß seit über tausend Jahren: von Sebastian Brant über René Schickele bis zu Albert Einstein. Viele hervorragende Farbbilder und Landkarten ergänzen die kurz gehaltenen Texte in Deutsch und Französisch.

Über den Oberrhein und das rheinische Elsaß zu sprechen, wäre allerdings nicht vollständig, würde man nicht auch von den Grenzen reden – und wer von diesen spricht, muß die Barrieren und Brüche nennen: Die Nationalismen des 19. und 20. Jh. errichteten Sperren an den Grenzen und ließen Antigermanismus und Frankophobie entstehen.

Pierre Klein ist Vorsitzender des Verbandes „Zweisprachiges Elsaß/Fédération Alsace Bilinque“, eines Zusammenschlusses von 22 Vereinen, die sich für die Förderung der „Regionalsprache und -kultur“ einsetzen, und hat dazu 30 Bücher verfaßt. Er hat 1990 den Verein ABCM Zweisprachigkeit (L´Association pour le Bilinguisme dans les Classes dès la Maternelle) mitgegründet, der ein Dutzend deutsch-französische Schulen im Elsaß und in Lothringen verwaltet. Sein Buch ist jedem an deutscher Geschichte und Sprache Interessierten zu empfehlen, der über den eigenen Tellerrand blikken will.

Norbert Prohaska

Pierre Klein
Geschichte des Rheinischen Elsaß.
Historische Elemente einer gemeinsamen
Kultur am Oberrhein

I. D. l’Édition 2023, französisch/deutsch
104 S., broschiert, € 12,–

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