Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

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Gedenken an das Kriegsende 1945

von Caroline Sommerfeld

Im vergangenen Jahr nahmen der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla und sein Vorgänger, Alexander Gauland, an einer Gedenkfeier zum „Tag der Befreiung“ in der russischen Botschaft in Berlin teil. Ich selbst spazierte am 9. Mai 2023 zufällig durch die Wiener Innenstadt und gewahrte unmittelbar neben dem Stephansdom das von der Polizei bestbewachte Kuriositätenkabinett Wiens: eine skurrile Mischung aus Milchgesichtern in alten Uniformen und Sonderlingen, gruppiert um einen historischen Jeep und ebensolche Motorräder. Mir fiel ein Mann mit gezwirbeltem Bart auf, der ein Georgsbändchen und eine Brosche mit Sowjetflagge trug. Daneben standen russische Frauen, teilweise wohl die Gattinnen der älteren Herren, zwei indische Mädchen, die sich mit einem der Milchgesichter mit Helm photographieren ließen und ein Afrikaner, über den ich später erfuhr, daß er ein Vertreter der Volksrepublik Kongo in der Republik Donbaß sei. Über der Szenerie wehte die rote Fahne mit Hammer und Sichel, dazu dröhnten sowjetkommunistische Lieder. Läßt sich irgendwie begreifen, weshalb sich gestandene Rechte, von denen ich einige wiedererkannte, unter der Kommunistenfahne versammeln?

Es geht ein Riß durch das patriotische Lager.

Die einen sind tendenziell liberalkonservativ, für die Ukra­ine, für westliche Werte, für die NATO und gegen Putins „Angriffskrieg“. Die anderen sind tendenziell traditionskonservativ, für Rußland, gegen den US-Liberalismus und würden es begrüßen, wenn die NATO in der Ukraine eine Niederlage erlitte und Europa von Putin neu geordnet würde. Allesamt sind sie Deutsche.

Die Geschichtserzählung der Westalliierten machte aus dem deutschen Volk nach 1945 ein Volk von ewigen „Nazis“, das nur durch Umerziehung endgültig zu besiegen wäre. Die sowjetischen Sieger hingegen hielten sich an ein Diktum Stalins: „Die Hitlers kommen und gehen, das deutsche Volk bleibt“. In der DDR gab es keine explizite „Entnazifizierung“, weil dort die sogenannte „Dimitroff-Doktrin“ galt: Der Faschismus als schlimm­ste Form des Kapitalismus’ sei besiegt, im sozialistischen Staat lebe der „neue Mensch“. Heute soll die Ukraine „entnazifiziert“ werden, und große Teile der deutschen Rechten begrüßen das. Kann man sich in diesem Irrgarten aus historischen Gegebenheiten, alten ideologischen Blöcken und aktuellen Kriegsgegnern noch irgendwie zurechtfinden?

„An einem solchen Tag geht man nicht zu einer Siegesfeierlichkeit.“

Chrupalla wurde für die Zeitschrift Sezession befragt, was er sich dabei gedacht habe, den „Tag der Befreiung“ zu begehen. Er sagte: „Die russischen Truppen haben Deutschland 1994 verlassen. Gute Wirtschaftsbeziehungen auf Augenhöhe wurden aufgebaut. Die Amerikaner sind geblieben und halten unser Land in wirtschaftlicher Abhängigkeit – zum Schaden der Bürger. Mein Eindruck als Ostdeutscher und ehemaliger DDR-Bürger ist: Die russische Erzählung vom Großen Vaterländischen Krieg sollte vor allem den eigenen Patriotismus festigen und die Völker der Sowjetunion an Moskau binden. Es ging nicht so sehr darum, den Patriotismus der Deutschen aufzulösen oder uns eine untilgbare Schuld aufzubürden. Das ist auch heute noch so. Nichtsdestotrotz habe ich immer die deutsche Sichtweise geltend gemacht. Prägend sind für mich die Erzählungen meiner schlesischen Familie, meines Vaters und meiner Großeltern.“ Die Fragensteller, Götz Kubitschek und Erik Lehnert, wandten ein: „An einem solchen Tag, der für Millionen Deutsche nicht das Ende des Leides bedeutete, sondern die Fortsetzung von Vertreibung, Willkür, Vergewaltigung, Gefangenschaft, Elend und massenhaftem Sterben, geht man nicht zu einer Siegesfeierlichkeit.“

War der 9. Mai 1945 ein Sieg über die Wehrmacht, über die „Nazis“ oder über Deutschland?

Je nachdem, wie man diese Frage beantwortet, kann man sich heute politisch verorten. Sich mit der Wehrmacht zu identifizieren und daher jegliches Fraternisieren mit der Roten Armee auch heute zu verabscheuen, dürfte Kennzeichen der sogenannten „alten Rechten“ sein. Wer hingegen den Sieg über den Nationalsozialismus feiert, tut dies entweder als Liberal- oder als Traditionskonservativer. Der Liberalkonservative hat dann aber auch die BRD-Gedenkkultur und den entsprechenden Schuldkult mitzutragen. Wer schließlich als Traditionskonservativer davon ausgeht, im Mai 1945 sei das „heilige Deutschland“ besiegt worden, tut gut daran, sich weder an den russischen, noch an den offiziellen BRD-Gedenkfeierlichkeiten zu beteiligen, sondern still für das eigene Volk zu beten.

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