Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

Fritz Thyssen – Geldgeber und Kritiker Hitlers

Vor 150 Jahren geboren

von Erik Lommatzsch

Eines konnte Fritz Thyssen niemand vorwerfen: Opportunismus. Stets handelte er in der Überzeugung, das Richtige zu tun. Hatte er Fehleinschätzungen erkannt, so stand er dazu und war bereit, die Konsequenzen zu tragen.

Ein populärer Großindustrieller

Der am 9. November 1873 bei Mülheim/Ruhr geborene Thyssen trat in den von seinem Vater August errichteten Konzern ein; seit 1926 war er Aufsichtsratsvorsitzender der „Vereinigten Stahlwerke“. Als rheinischer Katholik hatte Thyssen im Kaiserreich dem Zentrum angehört, ging aber gegen Ende des Ersten Weltkrieges auf Distanz zu dieser Partei. Er stand für nationalkonservative Positionen; seiner Ansicht nach war die Monarchie die für Deutschland passende Staatsform. In der Weimarer Republik schloß er sich der DNVP an. 1923 war er während der Ruhrbesetzung führend am passiven Widerstand gegenüber den französischen Forderungen beteiligt. Er mußte sich vor einem französischen Kriegsgericht verantworten, was ihm weit über das Ruhrgebiet hinaus große Popularität verschaffte. Hitler lernte er im September 1923 kennen.

Thyssen entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Geldgeber der NSDAP.

Der Industrielle unterstützte die Partei insgesamt ebenso wie einzelne ihrer Vertreter, nicht zuletzt Hermann Göring.Von weitreichender Bedeutung war, daß mit Thyssen einer der prominentesten deutschen Großindustriellen öffentlichkeitswirksam die Nationalsozialisten unterstützte – vor allem in den letzten Jahren der Weimarer Republik, als keineswegs die gesamte deutsche Industrie auf Hitler setzte. Manche Zielsetzungen der NS-Bewegung teilte er: den autoritären Staat und die Ausschaltung von Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschaften. Andere Seiten der NS-Ideologie waren ihm fremd – Sozialdarwinismus und Antisemitismus standen den Werten des Katholiken entgegen. Anfangs schien es, daß er eine führende Rolle im Wirtschaftsleben des NS-Staates übernehmen würde.

Aber im Zusammenhang mit dem von ihm – ursprünglich im Auftrag Hitlers – gegründeten „Nationalsozialistischen Institut für Ständewesen“ in Düsseldorf mußte Thyssen realisieren, daß seine Vorstellungen von einer ständisch organisierten und selbstverantwortlichen Wirtschaftsordnung in dem neuen Staatswesen keinen Platz hatten. Das Institut wurde massiv angegriffen. Im Juni 1934 schrieb Thyssen einen langen Brief an Hitler. Noch immer in Verkennung der NS-Bewegung erhoffte er sich Wirkung von seiner Kritik an der Wirtschaftspolitik, der Auflösung des Rechtsstaates, der fehlenden Pressefreiheit und dem totalitären Anspruch des Regimes.

Bruch mit dem Regime wegen Judenverfolgung, Hitler-Stalin-Paktes und Krieges

In Einzelfällen setzte er sich persönlich für Verfolgte ein, etwa für den entlassenen Düsseldorfer Oberbürgermeister Robert Lehr. Der erste, über kritische Schreiben hinausgehende Schritt der Abkehr war Thyssens Rücktrittsgesuch als Preußischer Staatsrat, welches er in der Folge der Novemberpogrome des Jahres 1938 einreichte. Die Verfolgung und Entrechtung der Juden hielt er für untragbar. Verständnislos stand Thyssen dem Hitler-Stalin-Pakt gegenüber, hatte er den Kommunismus doch zeitlebens als Todfeind betrachtet und geglaubt, die NS-Bewegung verfolge gerade diese Politik. Den Krieg hielt er für einen schweren Fehler. Dies erklärte er in mehreren Schreiben an Hitler und Göring.

Thyssen vollzog den endgültigen Bruch. September 1939 hatte er sich ins Ausland begeben.  Über die Schweiz und Brüssel gelangte er nach Frankreich. Seine kritischen Briefe an die NS-Führer ließ er veröffentlichen. 1941 erschien in London und New York sein Buch I paid Hitler („Ich bezahlte Hitler“). Zum einen handelte es sich dabei um ein Bekenntnis und eine Generalabrechnung, zum anderen entwickelte Thyssen Ideen für die Zukunft Deutschlands. Hier finden sich eigenwillige Positionen. So plädierte er für eine katholische Monarchie im Westen; dieses „wahre Deutschland“ müsse „von Preußen, das zum Osten gehört, getrennt werden“, Preußen könne so „seinen besonderen Charakter als Kolonialland wieder entwickeln“.

Die französische Vichy-Regierung lieferte Thyssen an die Gestapo aus, er verbrachte über vier Jahre in Haft. Nach dem Krieg war er weitere drei Jahre interniert, vor allem die Amerikaner bewerteten seine Rolle als „Steigbügelhalter“ Hitlers höher als seine spätere Gegnerschaft. Eine deutsche Spruchkammer stufte ihn schließlich als „minderbelastet“ ein. Ende 1949 verließ Thyssen Deutschland und starb am 7. Februar 1951 in Buenos Aires.

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