von Mario Kandil
Kalendarium Kandili (64)
Der Traum des Menschen, fliegen zu können, ist uralt. Einer derjenigen, die ihn in eigener Person zu verwirklichen suchten, ist der deutsche Luftfahrtpionier Bruno Poelke. Sein Tod am 9. August 1975 jährt sich heuer zum 50. Mal.
Obwohl Ostpreußen niemals ein Zentrum des Flugwesens in Deutschland war, brachte es mit dem am 25. Juli 1883 in Osterode geborenen Bruno Poelke immerhin einen Begründer des Segelfliegens hervor. Nach Absolvierung der Maschinenbauschule in Allenstein versuchte er 1900 vergebens, mittels eines Fluggerätes, dessen Schlagflügel in der Aufwärtsbewegung wie Jalousien aufklappten, abzuheben.
1902 wechselte Poelke nach Frankfurt am Main, wo er zunächst in einer Maschinenfabrik arbeitete und 1906 seine eigene Werkstatt eröffnete. Hier konstruierte er weitere motorlose Flugapparate und fertigte zugleich auch Flugzeugbauteile, die er in alle Welt verkaufte. Zu seinen Kunden zählten auch die Gebrüder Wilbur und Orville Wright: Diese hatten am 17. Dezember 1903 den ersten bemannten Motorflug der Geschichte vollbracht.
Auf der ersten Internationalen Luftfahrtausstellung erreichte Poelke bei einem Flugversuch vom Gleitflughügel am 9. Juli 1909 eine Höhe von sechs Metern über dem Aufstiegspunkt. Nachdem er 1910 einen Doppeldecker und 1911 einen Tiefdecker konstruiert hatte, gab er 1912 seine berufliche Selbständigkeit auf und flog neue Typen von Flugzeugwerken ein.
Im Ersten Weltkrieg fand sich Poelke erst als Fluglehrer in Darmstadt und danach an der Westfront eingesetzt. Dort wurde er mit seiner Maschine abgeschossen, überlebte aber und geriet nicht in Kriegsgefangenschaft. Nach dem Krieg ging Poelke unter die Segelflieger und war mit seinem „Rhönvogel“ der erste, der ein Segelflugzeug mit nur einer Landekufe startete und sicher landete. Der als Pensionär lange in Bockenheim lebende Poelke verstarb ebenda am 9. August 1975. 1970 war ihm noch eine persönliche Begegnung mit Neil Armstrong, dem ersten Menschen auf dem Mond, zuteil geworden.
Mag auch Poelkes Name besonders in unseren Tagen bloß noch Eingeweihten der Luftfahrt bekannt sein, war er doch ein Wegbereiter des Segelfliegens und ehrgeiziger Flugpionier, der auch heute noch Anerkennung verdient. Der „Adler vom Kuhwald“ (in Frankfurt am Main, heute Rebstock genannt) gehört ohne Zweifel zu den Pionieren der Fliegerei. Zurecht ist in der Mainmetropole seit vierzig Jahren eine Straße nach ihm benannt.
Über den Autor:
Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.