Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

Foto: Konrad Markward Weiß

En Kölle nur Kölsch!

von Hans Pütz

Es wird dem „Eisernen Kanzler“ Bismarck die Feststellung zugeschrieben, es sei dem Deutschen ein Bedürfnis, beim Biere von der Regierung schlecht zu sprechen. Ein besonderes Bedürfnis ist es dem Deutschen jedenfalls nicht weniger, beim Biere schlecht über andere Biere zu sprechen. Zu besonderen Kontroversen führt dabei die Bierkultur rund um das Kölsch in Köln am Rhein. Trotz Kneipensterben bietet Köln noch immer ein wahres Meer an Bierstuben und traditionellen Wirtshäusern. Noch im Jahr 2015 kam auf 1.000 Einwohner eine Kneipe. Hervorgehoben werden soll hier jedoch das Institut der kölnischen Brauhäuser – mal prächtige Bierhalle, mal verwinkeltes Gewölbe; mal eng und laut, mal offen und hell. Und das Schauspiel, es weiß zu entzücken!

Och wat wor dat schön doch en Colonia!

Das Kölsch wird serviert in der Kölner Stange, stets in 0,2 Liter. Ein Pfiff also! Bereits das Gemäß zu 0,25l ist abzulehnen. Ein Kuriosum stellt indes das Stößchen dar, eine verkürzte Stange geeicht auf 0,1l, die aber zumeist älteren Damen, Taxifahrern, Zeitungsverkäufern oder allen anderen vorbehalten ist, die eigentlich nichts trinken wollen, dürfen oder können. Ja, klein sind die Stangen. Man hört sie schon wieder unken, die Bayern mit ihrer Maß, die Österreicher mit ihrem Krügerl, die Nordlichter mit ihren Pötten. Sollen sie nur, laßt sie spotten! Das Kölsch kommt. Es kommt immer frisch. Und es kommt immer und schnell!

Gebracht wird es vom Köbes. Der ist kein Kellner. Er ist – womöglich nicht mehr überall – Brauereihelfer. Man erkennt ihn an der Uniform: hellblaue Weste oder Pullover, Lederschürze und meist Schnäuzer. Um den Bauch eine Ledertasche gebunden und in der Hand, da saust es schon wieder heran. Er ruft nicht „Kölsch?“, er bringt „Kölsch!“. Er bringt es in seinem Kranz, einem speziellen Tablett aus leichtem Metall mit Einfassungen, das fast einer Stabgranate ähnelt. Schnell sollte man sein, mit dem Trinken. Denn der Köbes verdient am Verkauf. Und er kommentiert den Nichtkonsum auf eigene Art, natürlich auf Mundart, die heißt, wie das flüssige Glück, das er an den Mann bringen will: Kölsch! „För ne Wartesaal muß de noh’m Bahnhof jonn!“, läßt er wissen, wenn ihm zu wenig abgenommen wird. „Handtoch un sief dobei?“, wenn es mal nur mehr ein Wasser sein soll. Widerworte mag er nicht. Und das Kölsch fliegt immer weiter heran, wenn man denn den Trick nicht kennt. Erst wenn der Bierdeckel das Glas bedeckt oder man energisch abwinkt, weiß der Köbes, da braucht er gar nicht erst hin, da wird nicht mehr getrunken.

Um das zu vermeiden, bieten Kneipe und Brauhaus meist auch jet zo müffele: die Durchhaltejause. Frikadelle, Mettwurst oder der Halve Hahn – nein, das ist kein Brathendl, du Jeck! Es ist eine Roggensemmel bzw. Röggelche mit einer fingerdicken Scheibe Gouda, und es gehört Senf drauf. Wenn das nicht reicht, dann bietet die Kölner Trinkkultur auch eine vielfältige Auswahl an lokalem Schabau. Wem das nicht liegt, der spült eben mit Kölsch nach.

Man entkommt ihm also schwer, dem Kölsch und dem Köbes. Sein Bier holt der in der Regel beim Zappes. Der Zappes zapft. In einer Tour, einem Kunstwerk gleich. Einmal dreht er den Hahn auf, dann läßt er den noch leeren Kranz in gekonnten Drehungen tanzen, bis alle Gläser inklusive schaumigen Kronen befüllt sind. Doch es geht teilweise auch ohne, denn manches Brauhaus hat anstelle einer Theke eine Schwemme. Dort steht ein Faß mitten im Raum; der Köbes zapft selbst in die Stangen. Die kleine Stange hält das Kölsch stets frisch und kühl. Gerade diese Frische ist es, die dem Kölsch doch so viele Liebhaber beschert. Nicht selten wird direkt aus Holzfässern gezapft.

Der Kölner versteht mit seinem Kölsch jedenfalls keinen Spaß und ist stolz auf die lange und bewegte Brautradition. Bereits im 13. Jh. wurde der erste Kölner Brauer erwähnt. Im Jahre 1396 gründete sich die Zunft der Kölner Brauer, und schon 1412 verordnete der Kölner Stadtrat ein Reinheitsgebot. Noch heute gilt ein strenges Regelwerk: die Kölsch-Konvention, eine sogar höchstrichterlich bestätigte Wettbewerbsregel, die für alle Kölschbrauer verbindlich ist. Neben den Charakteristika des Bieres – u.a. muß es ein obergäriges, helles, blankes, schlankes und hopfenbetontes Vollbier sein – regelt diese Konvention, daß das Kölsch in der Regel auch auf Kölner Stadtgebiet herzustellen ist. Wie praktisch, daß der Kölner seine Stadt ja ohnehin für die größte aller Metropolen hält.

Aber kann man all dem nun wirklich negativ gegenüberstehen? Wohl nur, bis man es erlebt hat. Und mag man sich dann auch nicht an alles erinnern, so bleiben doch das Jeföhl und die innere Gewißheit: Och wat wor dat schön doch en Colonia!

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