von Reinhild Bauer
Brauchtum (30)
Landsmannschaften – klar weiß jeder hier, was das ist. Aber sind wir uns auch bewußt, wie wichtig sie sind für den Erhalt der großen Bandbreite der deutschen Volkskultur? Vorab sei dargelegt, daß es sich hier nicht um die studentischen Verbindungen desselben Namens dreht. Landsmannschaften als Interessensvertreter und verbindende Organisationen der Vertriebenen sind bis heute die Zelle der überlebenden Volkskultur aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten.
Der vererbbare Vertriebenenstatus, den es von 1953 bis 1992 in der Bundesrepublik gab, war die sichtbare und dokumentierte Form der Herkunft und für das Bewußtsein der nachfolgenden Generationen wertvoll, um zumindest theoretisch über ihre Herkunft Bescheid zu wissen. Der größere Teil der Identifikation mit den eigenen Wurzeln geschieht über Brauchtum, Religion und Sprache. Den Rahmen zu deren Pflege bieten die Landsmannschaften. Der „Bund der Vertriebenen“ als Dachverband zeigt mit seiner Auflistung im Netz, welche Volksgruppen einst sehr vital und in großer Zahl aus dem Osten kamen und es geschafft haben, sich gegen den Untergang zu wehren.
Arbeitshefte, Ratgeber und Liederbücher sind Schätze in den Archiven der Vereine, die zumindest die Möglichkeit einer Rückbesinnung bieten und das Wissen bündeln. Diese wurden zumeist kurz nach dem Ende des Krieges herausgegeben, wo die Gruppen der Vertriebenen groß waren und Bedarf nach heimatlichem Gesellschaftsleben bestand. Bald merkte man, daß Bräuche doch eine Gemeinschaft benötigen, und diese fand sich fast ausschließlich in der kleinen Gruppe der Vereinsbrüder. Ein weiteres Problem stellte die veränderte Landschaft dar, welche manche Bräuche deutlich erschwert oder grobe Veränderungen erzwungen hat. Doch mit den nötigen Anpassungen haben es manche Gruppen bis heute geschafft, ihre Bräuche zu leben und auch immer wieder Junge dafür zu begeistern. Die Banater Schwaben in Reutlingen sind ein hervorragendes Beispiel für eine geglückte Weiterführung der Bräuche aus der alten Heimat.
Landsmannschaften werden heute oft zu Unrecht als veraltete Vereine mit komischen Käuzen angesehen, denn sie sind in Wahrheit Träger eines großen, vom Aussterben bedrohten Kulturschatzes und haben das Potenzial, diesen zu beleben, da in ihnen das nötige Wissen gebündelt ist. Wer also um seine Wurzeln aus den ostdeutschen Gebieten weiß und Interesse dafür hat, kann sehr einfach aktiv werden und sich der entsprechenden Landsmannschaft anschließen. Alle Informationen und viele Erfahrungsberichte liegen in den Archiven bereit für eine Wiedergeburt!
Über die Autorin:
28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.