von Pina Nueberg
Offiziell ist „Corona“ mehr oder weniger vorbei, die Masken sind gefallen, von Impfzwang ist keine Rede mehr, die Welt hat sich aus dem Stillstand wieder in Bewegung gesetzt. Fast scheint wieder Normalität einzukehren. Fast! Dem sorgfältigen Beobachter wird beim Schmökern in Veranstaltungskalendern und beim Besuch von Kulturveranstaltungen auffallen, daß im Bereich der Kunst und Kultur noch keine „Normalität“ eingekehrt ist.
Zwar stieg der Jedermann am Salzburger Domplatz, namhafte Orchester sind vor Schloß Schönbrunn und in Grafenegg erklungen, zahlreiche Bands spielten am Donauinselfest, Sommertheater fanden in gefühlt jeder fünften Ortschaft statt, und die Opernfans freuten sich über das Wiederöffnen der Pforten des Hauses am Ring nach der Sommerpause; allerdings sind nicht einmal bei den größten und renommiertesten Veranstaltungen alle Plätze besetzt. Einzelne Sitze bleiben leer, mitunter ganze Stuhlreihen. Der Andrang an den Abendkassen bleibt überschaubar. Selbst die ganz großen Häuser und wichtigsten Festivals kämpfen damit, genug Karten zu verkaufen. Kleine Kulturveranstaltungen haben es noch schwerer, ihre Reihen zu füllen. Und etwas, das dem Normalverbraucher nicht sofort ins Auge sticht: Zahlreiche Veranstaltungen finden erst gar nicht statt! Es fehlt an Geld, es fehlt an Arbeitskräften, und es fehlt vor allem an den Besuchern. Im Kulturbereich ist „Corona“ eindeutig nicht vorbei.
Möglicherweise bleiben einzelne aus Angst vor Ansteckung oder wegen der Teuerung daheim. Der Großteil der einst kulturbeflissenen Menschen dürfte aber schlichtweg bequem geworden sein. Man hat während der diversen „Lockdowns“ die eigenen vier Wände oder die von lieben Freunden wieder schätzen gelernt, und die Kulturveranstalter selbst lieferten dazu die Oper, das Konzert, das Theaterstück, die Lesung und das Kabarett von der Bühne weg direkt ins Wohnzimmer, ins Kinderzimmer oder – ja, auch das soll es geben! – ins Schlafzimmer. So bleibt man jetzt lieber im Privaten, kocht zusammen und knotzt anschließend auf der Couch, um sich kostengünstig oder überhaupt gratis das gewünschte Kulturangebot auf den heimischen Bildschirm zu projizieren. Ohne sich in Anzug und Stöckelschuhe zwängen zu müssen, Schlange zu stehen und nächtens ein Taxi nach Hause zu bezahlen. Ja, eine biedermeierliche Bequemlichkeit siegt. Schmerzlich dabei ist die Erkenntnis, daß es just die Kulturveranstalter selbst waren, die diese Bequemlichkeit auf Kosten der Kunstschaffenden förderten.