Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

Rupert Heller, Schlacht bei Pavia, Detail mit Landsknechtsformationen

Deutsche Landsknechte und Deutsche Reiter

von Alain Felkel

Deutsche Söldner sind im 16. Jh. im Kriegswesen Europas der Exportschlager des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Auf den Schlachtfeldern Italiens triumphieren die deutschen Landsknechte über ihre Konkurrenten, die Schweizer Spießknechte. In der „Schlacht der Riesen“ bei Marignano stechen die „Spießgevierte“ der von dem protestantischen Heerführer Asche von Cramm befehligten Schwarzen Garde 1515 die in venezianischen und kaiserlichen Diensten stehenden Schweizer Gewalthaufen nieder; bei Bicocca vernichtet Georg von Frundsberg, der „Vater der Landsknechte“, im Jahr 1522 im Sturmlauf die Schweizer Scharen. Vergeblich ruft das Horn von Uri die Eidgenossen zu verzweifelter Gegenwehr auf. Frundsberg tötet Arnold von Winkelried, den Anführer der Schweizer, im Zweikampf. Seine Knechte schlagen im mörderischen Hauen und Stechen mit Erbitterung mit ihren schweren Katzbalgern ihre einst für unbesiegbar geltenden Lehrmeister in die Flucht. Als die deutschen Landsknechte im Zusammenwirken mit spanischer Infanterie 1525 das französische Heer bei Pavia besiegen, sind sie aus den Heeren Europas nicht mehr wegzudenken. Wo immer in West- und Mitteleuropa die Trommeln gerührt werden und Pfeifer zum Marsch in den Krieg blasen, finden sich deutsche Landsknechtsregimenter, die sich mit ihren fast fünf Meter langen Piken in die Schlacht werfen. Die Deutschen sind ihren Auftraggebern gegenüber meist loyal und kosten deutlich weniger als ihre Schweizer Konkurrenten.

Deutsche Landsknechtsregimenter werden zwar von einem Kriegsherrn angeworben, sind aber selbstbewußt und verstehen sich als Dienstleister mit einer mächtigen Gewerkschaft, der „Gmein“, die durch gewählte Obleute Mitspracherecht in allen wesentlichen Angelegenheiten des Söldnerheeres hat. Jeder Landsknecht hat nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte. „Kadavergehorsam“ ist ein Fremdwort für einen deutschen Landsknecht, Disziplinlosigkeit im Lagerleben die Regel. Strengste Disziplin herrscht dagegen auf dem Schlachtfeld, wo sich die deutschen Landsknechte durch exakte Manöver und herausragende Tapferkeit auszeichnen. Für mehrere Jahrzehnte sind ihre spießstarrenden Gevierthaufen der Schrecken des feindlichen Fußvolks und der Kavallerie – bis um die Jahrhundertmitte ausgerechnet eine neue Truppengattung aus Deutschland auf den Schlachtfeldern Europas für Furore sorgt: die „Deutschen Reiter“, die wegen ihres schwarzen Harnischs auch „Schwarze Reiter“ genannt werden.

Deutsche „Pistoleros“

Ein Bericht des spanischen Reiterführers Luis de Avila aus dem Schmalkaldischen Krieg 1547 liefert erste Details zu ihrer Kampfesweise: „Sie fingen immer mit ihren leichten Pferden an, welche die schwarzen Reiter hießen, so genannt von ihren Waffen, schwarzen Harnischen mit Schurz, Ärmeln und Eisenhut und führten kurze Feuerbüchsen, zwei Spannen lang (…)“. Was Luis de Avila mit kurzen Feuerbüchsen bezeichnet, sind in Wirklichkeit Radschloßpistolen, die Hauptwaffen der Deutschen Reiter. Der neue Zündmechanismus vereint die Prinzipien eines Feuerzeuges mit denen einer Uhr. Zieht der Pistolenreiter den Abzug der vorher aufgezogenen Radschloßpistole durch, bringt eine Feder ein Rädchen zum Drehen. Durch die Reibung des Rädchens an dem im Pistolenhahn eingespannten Schwefelkies entstehen Funken, wodurch sich die Pistole entlädt.

Die Einführung der Radschloßpistole leitet eine militärtaktische Revolution ein und setzt einen Prozeß der Standardisierung der Einheiten in Gang. Von nun an sind alle Reiterkompanien der Deutschen Reiter mehr oder weniger gleich organisiert und ausgerüstet. Die Reiterkompanien zählen meist 300 Mann. Jeder Deutsche Reiter hat ein preiswertes Pferd und in seinen Sattelholstern mindestens zwei Pistolen stecken. Als Kopfschutz dienen ihm ein offener Eisenhut oder eine Sturmhaube, als Körperschutz ein Trabharnisch aus minderwertigem Stahl, der schwarz geätzt ist, um die Rüstung vor Rost zu schützen. Kommt es zum Nahkampf, verwenden die Deutschen Reiter entweder Schwert, Dolch oder Streithammer.

Neue Gefechtstaktiken

Der Gebrauch der Radschloßpistole läßt die Deutschen Reiter zu einem taktischen Körper zusammenschmelzen, der den Gevierthaufen der Schweizer Reisläufer und deutschen Landsknechte endlich gewachsen ist. Denn durch die Radschloßpistole entwickelt die deutsche Reiterei eine neue Taktik, die das rollende Feuer der Arkebusiere nachahmt: die Caracole. Dabei reiten die Reiterschwadronen im Schrittempo bis auf fünf oder zehn Schritt Entfernung auf den Feind zu. Ist die erste Reiterreihe in Schußweite, schießt jeder einzelne Kavallerist mit beiden Pistolen auf den Feind. Dann wendet sich die erste Angriffsreihe nach links, reitet an der Schwadron vorbei und reiht sich hinter ihr wieder ein, um bald von Neuem zu feuern. Von großer taktischer Bedeutung ist bei der Caracole die Entfernung, aus der die Reiter schießen. Die Seite, die ihr Feuer am längsten zurückhält, fügt dem Gegner den größten Schaden zu: Je näher die Deutschen Reiter an die feindlichen Linien herankommen, desto effektiver ist ihr Feuer. Eine zweite Gefechtsart der Deutschen Reiter ist der „Schock“, der direkte Frontalangriff mit gezogenem Säbel. Die bevorzugte Fechtweise bleibt jedoch der Pistolenkampf, in dem die Deutschen Reiter Meister sind.

Tod im Pistolenfeuer

Wie mörderisch die Feuerkraft der Deutschen Reiter ist, zeigt sich am 9. Juli 1553 in der Schlacht von Sievershausen, welche die Fürstenfehde zwischen Kurfürst Moritz von Sachsen und Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach entscheidet. Da beide Seiten Deutsche Reiter einsetzen, ist das Ergebnis verheerend. Von 33.500 Kämpfern bleiben 4.000 tot auf dem Schlachtfeld liegen, 8.000 werden verwundet, was größtenteils an der geballten Feuerkraft der Pistoleros liegt. Unter anderem wird auch Moritz von Sachsen, der Sieger der Schlacht, tödlich von einer Pistolenkugel getroffen. Ein hervorragendes Beispiel für die Wirksamkeit einer Caracole findet sich 1562 in der Schlacht von Dreux aus dem ersten Hugenottenkrieg, in der die Deutschen Reiter auf der Seite der Hugenotten gegen die katholischen Truppen kämpfen. Ungeachtet der feindlichen Übermacht greifen die deutschen Pistoleros die dichten Gevierthaufen der Schweizer an, die sie im rollenden Feuer buchstäblich zusammenschießen. Anschließend stürzen sie sich auf die französischen „hommes d’armes“, die ihnen auf Befehl des französischen Konnetabels Anne de Montmorency im Vollharnisch mit eingelegter Lanze entgegenreiten. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Laut dem deutschen Historiker Barthold haben Montmorencys Männer nicht den Hauch einer Chance: „ (…) Seine eisernen hommes d’armes, in langer Reihe aufgestellt, um zum Einlegen der Lanzen Raum zu haben, wurden durch das massenhafte Aufprallen der Deutschen Reiter, welche ihre Faustrohre, ohne zu fehlen abschossen, durchbrochen.“

Erhöhung des Marktwertes

Die Schlacht von Dreux erhöht den Marktwert der Deutschen Reiter. Von nun an nehmen sie an jedem Feldzug der weiteren Hugenottenkriege in Frankreich teil. Doch Schlachten sind im 16. Jh. eher die Ausnahme. Nach wie vor bestehen die Feldzüge der Hugenottenkriege aus einem Sammelsurium von Belagerungen, Handstreichen, Überfällen und Plünderungen, wobei die Deutschen Reiter sich bewähren. Leider hat die Truppe auch ihre Schattenseiten, was an ihrer großen Zahl liegt. Die zahlreichen Pferde der Truppe fressen Weiden und Wiesen leer, die Reiter plündern die Bevölkerung derartig aus, daß diese den Abzug der Deutschen 1563 geradezu herbeisehnt. Trotz dieser Widrigkeiten versuchen Katholiken wie Protestanten in den folgenden sieben Hugenottenkriegen so viele Deutsche Reiter wie möglich zu rekrutieren.

Niedergang und Ende

Dennoch sind die Tage der Deutschen Reiter in den letzten Jahrzehnten des 16. Jh. gezählt. Immer öfter werden sie gegen Ende der Hugenottenkriege geschlagen, weil die Caracole sich angesichts massiver, dicht gestaffelter Schockgegenangriffe der feindlichen Reiterei nicht mehr bewährt. Neue Waffen halten Einzug. Der Degen wird allmählich zur neuen Hauptwaffe der Kavallerie und verdrängt die Radschloßpistole. Gleichzeitig lösen die Arkebusiere zu Pferde die Pistolenreiter ab. Mit zunehmender Unwirksamkeit der Caracole geraten auch die Deutschen Reiter allmählich in Vergessenheit. Ihr Erbe treten die Kürassiere an, die als einzige Reiter den Gebrauch der Pistole beibehalten, wovon das Beispiel der Pappenheimer Kürassiere zeugt.

Heute sind die Deutschen Reiter in Deutschland so gut wie unbekannt, obwohl die Truppengattung hier entstand. Anders verhält es sich mit den deutschen Landsknechten, die wie keine andere Truppengattung in der Kriegsgeschichte den Mythos deutschen Söldnertums verkörpern. Nach zeitweisem Niedergang während des 16. Jh. katapultiert sie der Dreißigjährige Krieg noch einmal ins Rampenlicht der Geschichte – jedoch mit einem Unterschied: Die einst „gewerkschaftlich“ organisierten Regimenter mit basisdemokratischer Ordnung sind zu bloßen Söldnereinheiten ohne Mitspracherecht verkommen. Auch in militärischer Hinsicht ist ihr Zenit längst überschritten. In der Schlacht von Breitenfeld 1631 werden die schwerfälligen Spießhaufen der kaiserlichen Infanterie unter Tilly von der schwedischen Artillerie König Gustav Adolfs förmlich pulverisiert, was den endgültigen Niedergang der deutschen Landsknechte einleitet.

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