von Reinhild Bauer
Kunsthandwerk als Spiegel unserer Seele
Der Holzschnitt als künstlerisches Verfahren im Bereich der graphischen Techniken erfreut sich bis heute bei Künstlern großer Beliebtheit. Insbesondere im 20. Jh. gab es im deutschen Sprachraum ein reiches entsprechendes Schaffen. Nahezu alle Künstler kamen mit dem Holzschnitt oder dem verwandten Linoldruck in ihrer Ausbildung in Berührung und versuchten sich mit einigen Werken daran. Daß viele von ihnen an diesem Kunsthandwerk Interesse fanden und dabei blieben, liegt auch daran, daß die Ausdrucksmöglichkeiten und das schlichte Schwarz-Weiß der deutschen Künstlerseele so entsprochen haben. So finden wir heute eine weite Bandbreite an Darstellungen besonders von Landschaften, Städten und Szenen aus dem alltäglichen Leben.
Die Technik des Holzschnittes zählt zur Kategorie des Hochdruckes. Das bedeutet, daß die zu druckende Oberfläche der höchste Punkt des Druckstockes ist. Zur besseren Vorstellung nehmen wir in Gedanken eine ca. zwei cm dicke, fein gehobelte Holzplatte, im Idealfall von einer Erle, einem Kirschbaum oder Birnbaum heran. Auf die glatte Oberfläche wird das Motiv seitenverkehrt aufgetragen, und anschließend werden mit verschiedenen Schnitzmessern – Geißfüße oder Kerbschnittmesser genannt – die weißen Flächen ausgeschnitzt. Auf diese Weise bleiben die aufgezeichneten Linien wie Dämme stehen und ergeben eine Art Stempel, den Druckstock. Mittels einer Walze trägt man auf diesen dann Farbe auf und legt Papier darüber. Mit einem Löffel oder Falzbein wird sodann vorsichtig das Papier gegen den Druckstock gepreßt, um die Farbe zu übertragen. Noch ausgefeilter ist der zweifarbige Holz- oder auch Linolschnitt. Hierbei muß der Künstler zwei Druckplatten schnitzen, die exakt übereinander passen. Dann wird jeder Druckstock in einer Farbe eingewalzt und sodann auf das selbe Papier gedrückt. Der Unterschied zwischen Holzschnitt und Holzstich liegt in der Wahl des Holzstückes. Für den Holzschnitt wird Langholz verwendet – die Fasern laufen parallel zur Bildfläche – während beim Holzstich Hirnholz zum Einsatz kommt. Bei diesem verlaufen die Holzfasern im rechten Winkel zur Bildfläche.
Ob diese Kunst aus dem alten Reich der Mitte zu uns kam oder zeitgleich in Europa und China entwickelt wurde, ist unklar; zweiteres wird im Moment allerdings bevorzugt angenommen. Im 14. Jh. machten sich in Süddeutschland einige Mönche die bereits bekannte Technik des Stoffdruckes mittels Holzmodels zu Nutze und begannen, ihre Schriften, Heiligenbilder und Verzierungen aus Holz zu schneiden um sie schneller vervielfältigen zu können. Eine neue Kunstform war geboren.
Albrecht Dürer führte dieses Verfahren zur künstlerischen und technischen Blüte.
Rasch verbreitete sich auch die Vorgehensweise, daß der Künstler selbst nicht schnitzte, sondern nur die Bilder auf die Holzplatten malte und Schnitzer das Weitere erledigten. Später entwickelten sich rasch der zweifarbige Druck, der farbige Tonunterdruck und der Holzstich. Nach dieser ersten Hochphase flaute die Begeisterung dafür wieder etwas ab, bis sie zu Beginn des 20. Jh. zu neuerlicher Blüte gelangte. Ein bedeutender Unterschied war, daß die Künstler nun selbst schnitzten und die Bilder auf dem Holz nur noch grob skizzierten. Dadurch wurden die Werke lebendig und flossen zur Gänze aus einer Hand. Und eine weitere Form entwickelte sich: der Originalholzschnitt. Bei diesem wurde statt einzelner Linien die Fläche gedruckt, mit kleinen Aussparungen, die später als weiße Kontraste in der schwarzen Fläche glänzten. Eine kleine und zwangsläufig sehr unvollständige Auswahl herausragender Vertreter dieser Kunstform mit ihren Werken soll einen Einblick in diese Technik geben.

Fritz Röhrs wurde 1896 in Hildesheim geboren. Nach seinem Einsatz im Ersten Weltkrieg als Soldat arbeitete er als Porzellanmaler Fürstenberg an der Weser. Er absolvierte die Kunstgewerbeschule in Braunschweig und arbeitete anschließend als Graphiker und künstlerischer Leiter einer Druckerei mit Zeitungsverlag in Liebenwerda. 1923 machte er sich nach einer längeren Studienreise als freischaffender Graphiker und Maler selbständig und wurde alsbald Abteilungsleiter für Graphik an der Meisterschule zu Hildesheim. Im Zweiten Weltkrieg diente er zunächst wieder als Soldat an der Front, bis er als „unabkömmlich“ in die Heimat berufen wurde, um als Lehrer junge Künstler zu unterrichten. Seine Werke zeigen Landschaften, Handwerker und Gebäudeansichten. 1958 starb er tief betrauert von seiner Gattin, drei Kindern und vielen Schülern.
Karl Hennemann wurde im Jahre 1884 im mecklenburgischen Waren geboren. Er ist dort tief verwurzelt gewesen, was in seinem Werk deutlich zum Ausdruck kommt. Anfang des 20. Jh. begann er eine Ausbildung zum Bildhauer, doch wechselte er schon bald zur Malerei. Ausbildungsstationen waren die Königliche Kunstschule Berlin und die Hochschule für Bildende Kunst ebendort. Den Holzstich probierte er als vollständiger Autodidakt erst 1919 aus. Diese Kunstart zog ihn in seinen Bann, sodaß sein einschlägiges Schaffen eine große Menge an Bildern umfaßt, insbesondere Naturdarstellungen. Bereits zu Lebzeiten erfreuten sich seine Bilder großen Interesses, widergespiegelt in zahlreichen Ausstellungen und privaten Abnehmern seiner Werke. 1972 starb er schließlich im hohen Alter nach einem schaffensreichen Leben.

Bodo Zimmermann kam 1902 als Sohn einer Malerstochter in Filehne (Bromberg, heute Polen) zur Welt und wuchs mit seinen drei Geschwistern im schlesischen Schweidnitz sehr behütet auf. Ursprünglich war für ihn die Offizierslaufbahn vorgesehen, sodaß er vier Jahre lang die Kadettenanstalt in Kloster Wahlstatt besuchte. Er fand aber schon früh den Weg zur Kunst und erhielt seine erste künstlerische Ausbildung im Verlag L. Heege in Schweidnitz, wo er eine Zeitschrift illustrierte. Später wechselte er in die Kunst- und Handwerkerschule Breslau, wo er ab 1922 als freischaffender Künstler tätig war. Hier lernte er auch seine Frau Eva Ferber kennen. Aus der Ehe ging ein Sohn, Wolfram Zimmermann, hervor, welcher sich nach des Künstlers Ableben sehr intensiv um dessen Erbe bemühte. Zu weiteren Studienzwecken ging Zimmermann nach Berlin, Nürnberg und München. Besonders Rudolf Schiestl beeinflußte sein Schaffen maßgeblich, indem er ihm den süddeutschen Raum näherbrachte. In der mainfränkischen Künstlergilde „Hätzefelder Flößerzunft“ lernte er viele Künstler kennen, die ihn inspirierten und ihm gute Freunde wurden. Schließlich verschlang ihn der Krieg, wie so viele. Der schlesisch-fränkische Künstler BOZI, wie er sich selbst nannte, starb 1945 an den Folgen seiner Kriegsgefangenschaft. Von seinen militärischen Einsätzen sind viele Bilder überliefert, obwohl der Krieg auch viele seiner Bilder verschluckt hat. Mit der Bombardierung Breslaus mußten seine Frau und sein Sohn überstürzt fliehen und den Großteil seiner Werke zurücklassen.

Rudolf Riege erblickte im Jahre 1892 in Hameln an der Weser das Licht der Welt. Mit 17 Jahren ging er mit der Intention, Maler zu werden auf die Hochschule für Bildende Kunst in Weimar. Zunächst beeindruckt ihn die Technik des Holzschnittes wenig, und auch bedeutende Lehrer in dieser Kunstart scheinen keine Wirkung auf ihn zu haben. Erst nach seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg in ein Weimarer Schüleratelier erfaßt ihn die Begeisterung für den Holzschnitt. Seine Kriegserlebnisse führten zu dem Holzschnittbuch Leben und Tod im Kriege. Zahlreiche Bücher, Gedichte und Geschichten hat er bebildert und ebenso gerne die Natur als Vorbild genommen. Seine Schnitte gelten als gradlinig und eindeutig, sehr licht und hell, zum Teil mit einem Funken Humor gewürzt. Sein Versuch, 1926 in Berlin Fuß zu fassen, scheiterte an seiner Kunst, die dort als nicht zeitgemäß galt. Deshalb ging er zurück in seine Geburtsstadt, wo er bis zu seinem Tod im Jahre 1959 sehr erfolgreich wirkte.

Richard Rother, geboren 1890 zu Bieber im Spessart, findet schon früh den Weg zur Kunst an der Kunstgewerbeschule in Nürnberg. Doch bis er sich schließlich dem Holzschnitt widmet, vergehen noch viele Jahre. Nach der Schule folgt die Bildhauerklasse der Akademie in München. Der Erste Weltkrieg unterbricht seine Künstlerlaufbahn, zu der er erst nach seiner zweiten schweren Verwundung und der damit einhergehenden Dienstuntauglichkeit entlassen wird. In der folgenden Zeit läßt er sich in Würzburg nieder, heiratet und arbeitet als freier Bildhauer. Die Geburtsanzeige seiner ersten Tochter, geboren 1922, gestaltet er mittels der bis dahin für ihn uninteressanten Technik des Holzschnittes – weil so kostengünstig zahlreiche Exemplare hergestellt werden konnten. Die Rückmeldungen darüber waren so zahlreich und positiv, daß Rother schon bald für alle Arten von Anzeigen und ex libris Aufträge erhielt. Seine humorvollen Darstellungen und aus dem Leben des kleinen Mannes entnommenen Motive sind so beliebt, daß Rother als Holzschneider und Gebrauchsgraphiker fortan genug Arbeit hat. 1931 wird er Lehrer der Bildhauerklasse an der Handwerker- und Zeichenschule in Würzburg. Diese Tätigkeit muß er von 1945 bis 1948 aufgrund der Zerstörung der Stadt unterbrechen. Er gewinnt den Beinamen „Wilhelm Busch des Holzschnittes“ und geht damit als humorvoller Gebrauchsgraphiker in die Kunstgeschichte ein. In Fröhstockheim endet dieses schaffensreiche Leben im Jahre 1980.
