Neue Eckartschrift 255
von Christoph Bathelt
Vieles hat man schon gehört, einiges vermutet man, aber doch wird die Bedeutung der deutschen Auswanderung in die Vereinigten Staaten immer noch unterschätzt. Dabei hat sogar deren amtierender Präsident Joe Biden am 6. Oktober ausdrücklich die 40 Millionen Amerikaner deutscher Herkunft gewürdigt: „Ich fordere alle Amerikaner auf, die reiche und vielfältige Geschichte der Deutschamerikaner zu feiern und sich an die vielen Beiträge zu erinnern, die sie für unsere Nation geleistet haben. Heute bereichern Deutschamerikaner weiterhin den Charakter und die Kultur unserer Nation als Führungspersönlichkeiten in jedem Sektor und jeder Gemeinde. Sie bilden auch den Grundstein für die starke Bindung unseres Landes an Deutschland und seine Menschen.“
Von Elvis Presley bis Heinz Ketchup – von wegen typisch amerikanisch … ECKART-Autor Christoph Bathelt zeichnet den Weg der ersten Ansiedler aus dem deutschen Krefeld nach „Deitscheschteddel“ in Pennsylvania nach und die unterschiedlichen Gründe, welche unsere Landsleute zur Auswanderung bewogen. Dabei werden nicht nur die berühmten Pfälzer, sondern auch die deutlich weniger bekannten „Irlandpfälzer“ vorgestellt, von denen einer der bekanntesten mit Namen Pressler als Elvis Presley zu Weltruhm gelangte. Ebenso waren die hessischen „Söldner“ nicht die einzigen Soldaten, die im Unabhängigkeitskrieg ihr deutsches Blut vergossen – die Kontinentalarmee und ihre französischen Verbündeten hatten ebensolche tapferen Kameraden in ihren Reihen. Und selbst die angeblich „schmerzfreien“ Indianer hatten mit Herman Lehmann einen deutschen Krieger bei sich aufgenommen.
Ebenso ist das US-amerikanische Wirtschaftsleben ohne deutsche Unternehmer nicht denkbar, und das seit Anbeginn: So wurde die erste Bibel des Kontinents nicht nur in deutscher Sprache, sondern auch von einem deutschen Verleger gedruckt, und zwar auf dem Papier eines deutschen Papiermachers. Die innovativen Büchsenmacher aus Pennsylvania ermöglichten die Eroberung des Westens, und Namen von Deutschen wie Heinz Ketchup und Annheuser-Busch sind auf der ganzen Welt vertreten.
Den Künstlern ist ein eigenes Kapitel gewidmet, das eigentlich Stoff für eine eigene Publikation bieten würde. Daher wurden vor allem die weniger bekannten erwähnt, die dennoch für die amerikanische Identität wesentlich waren, wie Emanuel Leutze, dessen Monumentalgemälde Washington überquert den Delaware zu einer US-amerikanischen Ikone wurde und eigentlich eine Uferstelle am Niederrhein zeigt.
Zwei Weltkriege und der Drang zur Assimilierung – wenig sichtbare größte Minderheit
Tragisch ist allerdings, wie diese anerkannte und zahlenmäßig größte Minderheit der USA so schnell, innerhalb nur weniger Generationen, verschwand: Daran waren nicht nur die beiden Weltkriege schuld, sondern auch das Bedürfnis zur Assimilierung. Die weit verbreitete, aber unwahre Geschichte der sogenannten „Muhlenberg-Legende“, wonach die deutsche Sprache es fast zur Amtssprache in den USA geschafft hätte, wird dabei in der neuen Eckartschrift ebenso widerlegt wie andere beliebte Klischees und Vorurteile – unter „Kuriosa“ in einem eigenen Kapitel.
Nach dem historischen Abriß gibt das Buch aber auch einen Überblick über das, was bis heute übriggeblieben ist: Neben den vielen im „Alten Land“ etwas peinlichen Oktoberfesten gibt es ernsthafte Initiativen zur Rettung von Mundarten wie des „Pennsylvania Dutch’“. Selbst in Utah bei den Mormonen steigt das Interesse an Deutschkursen – allerdings weniger aus traditionellen, sondern mehr aus missionarischen Gründen. Die Burgenländer in Chicago empfingen gerade erst eine Delegation aus der Heimat mit Landeshauptmann Doskozil an der Spitze, und die erfolgreichsten Filmkomponisten in den Traumfabriken Hollywoods sind vor allem Deutsche.
Seit 2010 gibt es einen deutsch-amerikanischen Ausschuß im Kongreß mit rund 100 Mitgliedern, die sich für Handel und Investitionen, aber auch für den Erhalt ihres Kulturerbes einsetzen. Im selben Jahr wurde in Washington, D.C. ein Museum für eben dieses Erbe eröffnet. Dessen Trägerverein zeichnet seit 1987 einen „Deutschamerikaner des Jahres“ aus. Die legendäre Steubenparade wird nicht nur in New York City, sondern ebenso enthusiastisch auch in Chicago gefeiert – und das schon seit 1965. Und ebenso in Chicago beheimatet ist das „DANK-Haus“, benannt nach dem Deutsch-Amerikanischen National Kongreß, das jährlich mehr als 150 entsprechende öffentliche Kulturveranstaltungen organisiert.