Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

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Der Traunsee

von Michael Scharfmüller

„Gestandener Patriot in abgewetzter Lederhose“

In Oberösterreich liegen viele herrliche Seen. Darunter der Hallstättersee, der sogar in China bekannt ist, der viel besungene Wolfgangsee – „Im weißen Rößl“… – und der bei Künstlern besonders beliebte Attersee. Mir hat es ein anderer See angetan: der Traunsee. Bei Badegästen ist der Traunsee nicht übermäßig beliebt. Im Unterschied zu seinen vielen benachbarten Seen erwärmt er sich nämlich nur langsam und erreicht auch im Hochsommer nur selten über 20 Grad. Grund dafür ist unter anderem seine enorme Tiefe von 191 Metern, die schon manchem Taucher zum Verhängnis wurde.

Der „Wächter des Salzkammergutes“ steigt schroff aus dem Wasser.

Mit seinen 1.691 Metern zählt der mächtige Traunstein zwar nicht zu den höchsten Bergen Oberösterreichs, aber sicher zu den bekanntesten. Das hat zwei Gründe: Zum einen ist der markante Koloß von weitem gut sichtbar. Zum anderen tragen die vielen Bergsteiger, die er das Leben gekostet hat, auf eine tragische Weise zum Mythos des Berges bei. Dabei sind die drei Normalwege, die auf den Gipfel führen, von jedem geübten und schwindelfreien Bergsteiger mit guter Kondition und passender Ausrüstung zu meistern. Das Gipfelkreuz des „Wächters des Salzkammergutes“ ist übrigens eines der höchsten in den Ostalpen. Gewidmet ist es den Gefallenen und Vermißten der beiden Weltkriege.

Wanderer, die sich den Traunstein nicht zutrauen, können den benachbarten Kleinen Schönberg besteigen. Empfehlenswert ist auch der Miesweg am Fuße des Traunsteins, der über einige Leitern, Brücken und Stufen am wildromantischen Ufer des Traunsees entlangführt. Viele Stellen laden hier zum Verweilen und Baden ein. Auf der anderen Seite des Sees befindet sich mein Lieblingsberg: der Kleine Sonnstein. Der Weg auf den 923 Meter hohen Gipfel ist abwechslungsreich. Er führt durch einen Buchenwald und an einigen Wasserfällen vorbei. Obwohl der letzte Teil des Anstieges über schroffe Felsen führt, ist er auch für Familien mit sportlichen Kindern zu meistern. Vorsicht ist trotzdem geboten: Gemeinsam mit meinen Kindern bin ich dort schon einmal in Lebensgefahr geraten …

Der Kleine Sonnstein zieht mich seit meinem zwanzigsten Lebensjahr magisch an. Damit bin ich nicht allein: Bereits zu vorchristlicher Zeit sollen spirituelle Rituale am Gipfel des Berges durchgeführt worden sein. Und auch heute werden noch regelmäßig Sonnwendfeuer entzündet. Heidnisch ging es nicht nur am Berg, sondern auch unterhalb in Traunkirchen zu. Bereits vor 3.500 Jahren befand sich dort eine Kultstätte. Daran erinnert, daß der Weg zur Johannesbergkapelle auch heute noch von Einheimischen als „Odinsweg“ bezeichnet wird. Wer den See erkunden möchte, kann sich in Traunkirchen ein Elektroboot leihen, und wer hungrig ist, findet hier Spitzengastronomie. Ich mag es bodenständig und kehre deshalb lieber beim Gruberwirt ein, der sich etwas außerhalb des Ortszentrums befindet.

„Da gibt’s halt Leut’, die hab’n a Schneid zu jeder Zeit!“

Apropos bodenständig: Im Unterschied zum Attersee ist der Traunsee kein Platz, an dem sich die „bessere Gesellschaft“ regelmäßig selbst feiert. Die Tiefe des Traunsees ist sprichwörtlich. Wären die beiden Seen Menschen, wäre der Attersee ein Kosmopolit in leichtem Leinenhemd und der Traunsee ein gestandener Patriot in abgewetzter Lederhose. Freilich gibt es auch in der Traunseestadt Gmunden Menschen, die sich für etwas Besseres halten, weil die weltbekannte Keramik hier produziert wird, es ein paar Meter Straßenbahn und eine Flaniermeile gibt. Vielleicht trägt dieses Selbstverständnis der Gmundener dazu bei, daß einige sagen, das Salzkammergut beginne erst bei Traunkirchen. Als diesbezüglichen Grenzstein sehen viele das Löwendenkmal an, das 1861 anläßlich der Fertigstellung der ersten Uferstraße zwischen Gmunden und Ebensee eröffnet wurde. Das Denkmal wurde im Zuge des Südtiroler Freiheitskampfes übrigens von Italienern gesprengt, danach jedoch originalgetreu wiedererrichtet.

Anders als Gmunden und Traunkirchen wirkt Ebensee auf Touristen nicht gerade einladend. Bekannt ist Ebensee vor allem für sein Salinenwerk. Wer hier mit Einheimischen spricht, stellt eine Veränderung im Dialekt fest. Aber nicht nur die Sprachfärbung ist hier anders. In Ebensee werden Tradition und Brauchtum noch gelebt. Ein Beispiel dafür: Während Corona ließen sich die Ebenseer ihre Faschingsfeiern von der Obrigkeit nicht verbieten. Die nach Ebensee beorderten Polizeikräfte sahen sich damals nicht in der Lage, dem lustigen Treiben ein Ende zu setzen. Wie heißt es im Oberösterreichmarsch so schön: „Da gibt’s halt Leut’, die hab’n a Schneid zu jeder Zeit!“

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