von Reinhild Bauer
Brauchtum (14)
Der große Feiertag der Ulmer, der Schwörmontag, wird alljährlich am vorletzten Montag im Juli begangen. Neben dem namensgebenden Schwur des Oberbürgermeisters zeichnen diese Feierlichkeit noch das Nabada („hinab-Baden“), die Lichterserenade und alle vier Jahre abwechselnd das Fischerstechen und der Ulmer Bindertanz aus.
Ursprung des Schwörmontags ist die Zeit Ulms als Freie Reichsstadt.
Im Mittelalter fanden in allen Freien Reichsstädten im süddeutschen Sprachraum Schwörfeiern statt, an denen der Oberbürgermeister sich seinen Stadtbewohnern und der Verfassung der Stadt verpflichtete. Mit ihrer Eingliederung in größere territoriale Einheiten zu Beginn des 19. Jh. fanden diese Feiern ein jähes Ende. Allein der Hartnäckigkeit der Ulmer ist es zu verdanken, daß dieser Brauch erhalten geblieben ist. Sie begingen ihre Bräuche weiterhin, mit der Forderung nach der Wiederbelebung des politischen Schwörmontags, welcher dann ausgerechnet in den 1940er-Jahren schließlich nachgegeben wurde.
Der Festakt beginnt mit dem Erscheinen des Oberbürgermeisters auf dem Balkon des Schwörhauses. Nachdem er von dort seinen Ulmern Rechenschaft über das im vergangenen Jahr Geleistete abgelegt hat, beendet er die Feierlichkeit mit der an das Stadtvolk gerichteten Wendung, „Armen und Reichen ein gemeiner Mann zu sein und in allen gemeinsamen und redlichen Dingen ohne allen Vorbehalt, so wahr mir Gott helfe!“. Diese Schwurformel ist um die sechseinhalb Jahrhunderte alt und besteht bereits seit der ersten Verfassung Ulms – damals allerdings noch auf Mittelhochdeutsch.
Turnier und Bootsumzug auf der Donau
Das Nabada und das Fischerstechen wiederum sind eine uralte Tradition der Fischer und fanden zu Reichsstadtzeiten im Wechsel alle zwei Jahre statt. Das Fischerstechen ist ein Turnier auf dem Wasser, bei welchem bunt verkleidete Fischer einander mit fast drei Meter langen Speeren von ihren Zillen zu bugsieren versuchen, indem sie den Speer gegen ihre Schulter stemmen und mit der Spitze auf des Gegners Brust zielen. Die Zillen werden von den gegenüberliegenden Ufern von je drei Fahrern aufeinanderzugesteuert, während die „Stecher“ am Heck stehen. Gestochen wird so lange, bis einer siegt – und der andere ein unfreiwilliges Bad nimmt.
Das Nabada ist ein Klamauk, bei welchem von verschiedenen Gruppen liebevoll gestaltete Mottoboote die Donau hinuntertreiben. Heutzutage schließen sich dem Wasserumzug viele Ulmer mit ihren Schlauchbooten an.
Bindertanz als Werbung und Präsentation der Faßbinderzunft
Der Bindertanz als weiterer Bestandteil des Schwörmontags findet abwechselnd mit dem Fischerstechen alle vier Jahre am Sonntag vor dem und am Schwörmontag selbst statt. Der Ursprung liegt im Jahr 1745, als die Bindergesellen zu Werbezwecken am Schwörtag einen Reiftanz aufführten. Der große Erfolg führte zur schnellen Etablierung des Tanzes mit seinen bunten Figuren aus der Faßbinderzunft: Faßroller, Bindebuben, Zunftmeister, Bindermädchen und 16 Tanzpaare. Diese tragen aus der Reichsstadtzeit überlieferte Trachten und haben allesamt klar definierte Rollen in dem umfassenden Spektakel. Auch die Zunftinsignien Driesel, Schlegel und Bütsch, sowie die Arbeitsabläufe aus dem Alltag der Binder sind in dem Tanz verewigt. Anfang des 20. Jhd. folgte nach über 100jähriger Pause die Wiederbelebung dieses Brauches.
Der Schwörmontag mit seinen begleitenden Bräuchen ist den Ulmern der Festhöhepunkt des Jahres und heute ein großes Volksfest, das sich reger Teilnahme erfreut. Ein wunderbares Beispiel für uraltes, aber lebendig gebliebenes Brauchtum.
Über die Autorin:
28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.