von Mario Kandil
Kalendarium Kandili (65)
Herrscht in der Bundesrepublik Deutschland in unseren Tagen ein schon krankhaft zu nennender Antifaschismus, dominierte unter der Ägide des ersten BRD-Kanzlers Konrad Adenauer (CDU) ein gesunder Antikommunismus. Ausfluß desselben war vor 75 Jahren der „Adenauer-Erlaß“.
Im damals herrschenden Kalten Krieg zwischen Ost und West und der im Westen zu Recht verbreiteten Furcht vor weiterer kommunistischer Expansion lag ein solcher Erlaß nahe. War doch bei der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 auch die moskautreue KPD mit immerhin 5,7 % in das Parlament eingezogen. Die von Adenauer geführte Bundesregierung faßte daher am 19. September 1950 den Beschluß betreffend die Verfassungstreue der öffentlichen Bediensteten in der BRD. Diese hätten „sich durch ihr gesamtes Verhalten zur demokratischen Staatsauffassung [zu] bekennen“ und wurden bereits bei Mitgliedschaft in einer gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Partei oder Organisation aus dem Staatsdienst entlassen. Dies richtete sich schwerpunktmäßig gegen elf der Tendenz nach linke bzw. kommunistische Organisationen: Solche waren neben der KPD z. B. auch der Jugendverband „Freie Deutsche Jugend“ (FDJ) und die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN). Letztere darf in unseren Tagen, im „Kampf gegen rechts“ höchst willkommen, ihr mißliebige Bürger durch Anschwärzen um ihre Arbeit bringen und wird dafür auch noch gefeiert.
Gottlob war das zur Adenauer-Zeit noch völlig anders, und so wurde all jenen, die im Dienst Moskaus in Westdeutschland im Staatsdienst kommunistisch agierten und agitierten, durch den beschriebenen Erlaß ein faktisches Berufsverbot auferlegt. Selbstredend liefen die davon Betroffenen mit Hilfe ihrer medialen Genossen Sturm und prangerten u. a. an, daß es keine Einzelfallprüfung gebe und daß sich Bundesländer wie Kommunen diesem rigorosen Vorgehen anschlössen. In der Tat verloren mehrere tausend Staatsbedienstete nach einer Überprüfung ihrer Verfassungstreue ihre Stelle. 1956 verbot das Bundesverfassungsgericht – es hatte 1952 schon die rechtsextreme Sozialistische Reichspartei (SRP) verboten – die KPD.
Unter der ersten von einem Sozialdemokraten – von Willy Brandt – geführten Bundesregierung aus SPD und FDP gab es am 28. Januar 1972 durch den „Radikalenerlaß“ eine Art Neuauflage. Denn anders als heute grenzte sich damals die Führung der SPD noch von Linksradikalen ab.
Über den Autor:
Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.