Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

Das Österreichische Bundesheer – eine kritische Nabelschau

von Centurio

Das Österreichische Bundesheer – ein notwendiges Übel? Eine bessere Hilfspolizei? Oder doch nur ein günstiger Blaskapellenaufputz für jeden Landeshauptmann? Wer dient heute überhaupt noch? Und wie geht es weiter?Übertriebenes Augenmerk war dem Bundesheer seit jeher nicht geschenkt. Manche führen die traditionelle Unterdotierung auf die Restriktionen im Diktatfrieden nach dem Ersten Weltkrieg zurück, der nur eine Miniaturstreitmacht mit ein paar schweren Waffen gestattete, manche auf die unterschiedlichen „Geschenke“, die die Alliierten nach der Besatzung 1955 in Österreich zurückließen: Dies gab dem Bundesheer in den frühen Mangeljahren zwar eine bunte Ausrüstung, ernsthafte Anschaffungen waren dadurch im Budget aber nie vorgesehen.

„Goldene Jahre“ im kalten Krieg

Allerdings brauchte man sich in den Jahrzehnten nach der wiedererlangten Freiheit und im immer heißer werdenden Kalten Krieg nicht um das Personal zu sorgen: Es gab ausreichend Interessenten in allen Dienstgraden, und die regelmäßigen Übungen formten tatsächlich so etwas wie ein funktionierendes Milizheer aus allen Schichten der Bevölkerung. Und mit der Erfindung der Umfassenden Landesverteidigung fanden Informationsveranstaltungen in Schulen statt, die für gesellschaftliche Breite sorgten. Konnten auch nicht alle Ambitionen erreicht werden, so wußte doch jeder Milizsoldat, was er im Fall des Falles zu tun hatte, wo er sich zu melden hatte und was von ihm erwartet wurde. Zwischen den übenden Soldaten des Berufs- und Milizstandes bildete sich echte Kameradschaft – idealer Nährboden für eine funktionierende Armee.

Mit dem Ende des Kalten Krieges, dem angeblichen Wegfall echter Bedrohungen – manche sprachen ja gar vom „Ende der Geschichte“ trotz blutiger Kriege vor unserer Haustür – und vor dem Hintergrund dramatischer gesellschaftlicher Umbrüche änderte sich dies allerdings. Negativer Höhepunkt war die Abschaffung der verpflichtenden Truppenübungen für Grundwehrdiener und damit die Festsetzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate, trotz vieler Warnungen 2006 von Verteidigungsminister Platter in der Regierung Schüssel II verfügt. Dies führte unweigerlich zur kompletten Aushöhlung des Milizsystems, entgegen den Bestimmungen der Verfassung: Der Nachwuchs blieb aus, die niedrigeren Ränge konnten nicht befüllt werden, und auch die Nachfrage nach dem Unteroffiziersberuf brach dramatisch ein.

Die Früchte dieser Entscheidung, gepaart mit einem jahrzehntelangen finanziellen Aushungern des Bundesheeres, tragen noch heute. Doch weder die offensichtlichen Probleme im Rahmen der ersten Teilmobilmachung der Miliz im Jahr 2020, noch die sicherheitspolitische Schubumkehr durch den Rußland-Ukraine-Krieg, noch die aktuellen eklatanten Personalprobleme lassen die politischen Verantwortungsträger umdenken. Denn auch wenn derzeit versucht wird, so manches Versäumnis beim Bundesheer in materieller Hinsicht auszumerzen, kann niemand sagen, wer all das neue Gerät in Zukunft bedienen soll.

Ein stark verringerter Wehrwille innerhalb der Bevölkerung läßt den Nachwuchs als Problem Nr. 1 erscheinen.

Zu diesem Negativtrend tragen auch Entwicklungen bei, die nicht nur rein österreichische sind: Der Schritt vom postheroischen und entmilitarisierten Gutmenschen zum woke-individualisierten Egoisten ist offenbar ein schneller gewesen und das in vielen Ländern. Und diese Entwicklungen spiegeln sich natürlich auch im Bundesheer wider. Ein stark verringerter Wehrwille innerhalb der Bevölkerung läßt den Nachwuchs als Problem Nr. 1 erscheinen. Dazu kommt eine Gesellschaft, die in ihrer In-sich-Gekehrtheit – und natürlich der Umwelt zuliebe! – keine Kinder mehr bekommt. Dafür importiert sie Fachkräfte aus fernen Landen, deren Söhne nach der Einbürgerung dann auch wehrpflichtig sind. Da diese aus ihren Herkunftsländern das System Zivildienst aber kaum kennen, finden wir mit dem typisch österreichischen West-Ost-Gefälle in Wien und Umgebung einen überdurchschnittlichen Anteil an migrantischen Soldaten. Hier könnte das Bundesheer als Schule der Nation durchaus einen integrativen Part spielen, und das tut es auch; erschwert wird dies jedoch durch die Abkapselung gewisser Gruppen innerhalb der Grundwehrdiener, meist aus religiösem Beweggrund. Öffentlich zugeben will man das aber nicht, man regelt es lieber intern und begibt sich in die Gefahr, Parallelstrukturen zu fördern von.

Allzulang kann man Entscheidungen aber nicht vor sich herschieben, sonst bleibt man als Kaiser ohne Kleider auf neuem Gerät ohne Personal sitzen.

Wie soll es da weitergehen? Sollte man nicht die Bundesverfassung, das Wehrgesetz und andere Grundlagen umfassend ändern wollen, werden wir auch in den kommenden Jahren ein Bundesheer haben, das nach den Grundsätzen der Miliz aufgebaut ist und als Aufgabe die militärische Landesverteidigung hat. Das ist etwas ganz anderes als nur Assistenzleister für Sandsäckeschupfen oder Botschaftsbewachung! Wie die jungen Generationen anzusprechen sind, um bereits jetzt große Personallücken zu stopfen, welchen Dienst man versucht anzubieten – eine Armee ist geradezu idealtypisch antiindividualistisch! – und in welchem religiös-soziologischen Mix man diese Aufgaben zu bewältigen hat, das alles sind Fragen, die derzeit die Streitkräfteplaner quälen. Lösungsansätze wie die Wiedereinführung der Truppenübungen, die Verlängerung des Grundwehrdienstes, die Umstellung auf ein komplett neues und eigenes Dienst- und Besoldungssystem für Soldaten sowie die Wiederbelebung der Umfassenden Landesverteidigung werden von sicherheitspolitischen Verbänden und Think Tanks – und hinter vorgehaltener Hand auch von so manchem Planer – gefordert, scheitern aber am politischen Mut unserer Entscheidungsträger. Allzulang kann man Entscheidungen aber nicht vor sich herschieben, sonst bleibt man als Kaiser ohne Kleider auf neuem Gerät ohne Personal sitzen.

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