von Reinhild Bauer
Brauchtum (35)
Ein deutsches Sprichwort sagt: An den Federn erkennt man den Vogel. Wie passend ist dieser Ausspruch in Bezug auf traditionelle und alte Trachten! Hatte früher noch jedes Tal, jedes Dorf seine eigene Tracht, entwickelten sich ab dem 20. Jh. Landestrachten – so auch in Kärnten. Es ist bemerkenswert, wie sehr wir uns daran gewöhnt haben, den haselnußbraunen Rock mit der schwarzen oder roten Samtweste in Kärnten überall zu sehen bzw. andernorts schnell als Kärntner Tracht einordnen zu können.
Bis vor 120 Jahren kannte diese Kombination kaum jemand. Ende des 19. Jh. war sogar in Kärnten der graue Rock nach steirischem Vorbild weiter verbreitet, als die ursprünglich kärntnerischen Kombinationen. Gerade dieser Umstand war für die Kärntner Landsmannschaft der Anlaß, eine Gegenbewegung einzuleiten – und, wie wir heute sehen, mit Erfolg. Das Ziel, eine identitätsstiftende und alle Kärntner verbindende Tracht zu schaffen, führte dazu, daß der Villacher Maler Professor Leopold Resch damit beauftragt wurde, einen Anzug zu entwerfen. Sein Studium der Männertrachten jedes einzelnen Kärntnerischen Tales führte ihn schließlich zu dem Entwurf, der bis heute als Kärntner Gwandl bekannt ist. Der ursprünglich kastanienbraune Rock mit den grünen Aufschlägen kommt aus dem Kanaltal. Dazu wird je nach Anlaß eine gleichfarbige braune Hose getragen oder für sehr feierliche Anlässe eine schwarze Hose. Das schwarze Samtgilet ist mit bunten Blümchen bestickt und hat zwölf silberne Kugelknöpfe.
Diese Kombination ist nicht nur schön und an historische Trachten angelehnt, sondern trägt eine reiche Symbolik in sich: Das Braun soll für Erdverbundenheit beziehungsweise Heimatverbundenheit stehen und die Kugelknöpfe des Gilets für die zwölf wichtigsten Täler Kärntens. Der schwarze Blümchensamt wiederum ist ein im ganzen südosteuropäischen Raum verbreiteter Trachtenstoff. Meist umfaßt die Stickerei ein Streumuster aus kleinen Anordnungen von jeweils einer roten und einer weißen Blume und grünem Blattwerk.
Der Weg des Kärntner Anzuges war ein schneller Siegeszug. Die Kärntner Landesregierung setzte ihn noch im Jahre 1911 per Dekret als offizielle Landestracht für Herren fest. Auf der Landeshandwerksmesse im selben Jahre wurde er schließlich das erste Mal öffentlich präsentiert. Das Kärntner Gwandl ist damit nach dem Steireranzug die zweite sehr erfolgreiche Landestracht für Herren. Es wurde seit seiner Entstehung vor allem durch das Kärntner Heimatwerk immer wieder kleinen Veränderungen unterzogen, was Stoffbeschaffenheit und Tragekomfort betrifft. Der Gesamtcharakter blieb dabei aber immer erhalten.
Über die Autorin:
28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.