Grafik: Wikipedia/Bennet Schulte/CC BY 3.0

Dänemarks deutsche Minderheit

Vor 100 Jahren wurde Nordschleswig von Deutschland abgetrennt

Eins vorweg: Die deutsche Minderheit in Dänemark besteht gegenwärtig aus annähernd 15.000 bis 20.000 Menschen in Nordschleswig. Dieses Land gehört heute zu Dänemark und seit 13 Jahren zur Region Syddanmark, die aufgrund der erhöhten Bewohneranzahl einen Anteil von ein bis zwei Prozent deutscher Nordschleswiger hat. Es gibt aber auch Deutsche in Kopenhagen. Doch von diesen ist in der vorliegenden Abhandlung keine Rede.

Ein Beitrag von Georg Ladurner

Bei den deutschen Nordschleswigern gibt es ein Konglomerat aus Sprache, kultureller Herkunft und nationaler Mentalität. Dessen ungeachtet muß man wissen, daß seitens der dänischen Mehrheit die Deutschen durchaus als Deutschgesinnte bezeichnet werden. Kein Däne beschreibt sich aus freien Stücken als Nordschleswiger. Der Begriff des Deutschgesinnten wird ab und zu als Schmähwort empfunden, obwohl viele es als althergebrachte und in der Summe neutrale Kennzeichnung meinen. Die Dänen sehen sich vielmehr als Süderjüten; das Land wird als Süderjütland bezeichnet.
Am Ende des Ersten Weltkrieges bot sich der dänischen Bevölkerungsgruppe mit Beihilfe Kopenhagens die Chance, eine Volksabstimmung über die herannahende Zugehörigkeit Schleswigs in die Wege zu leiten und demzufolge auch zu beanspruchen.

Zwei Volksabstimmungen 1920

Die Mehrheit Nordschleswigs(74,4%) entschied sich vor 100 Jahren, genauer gesagt am 10. Feber 1920, für eine Zugehörigkeit zu Dänemark. In den Gemeinden der zweiten Abstimmungszone stimmte eine vornehmliche Mehrheit (80,2%) für den Verbleib bei Deutschland. Die nach dem dänischen Geographen und Bevölkerungsstatistiker Hans Victor Clausen benannte Clausen-Linie, welche die erste von der zweiten Zone trennte, wurde in der Folge zur neuen Staatsgrenze zwischen den beiden Staaten. Durch das von US-Präsident Woodrow Wilson proklamierte Selbstbestimmungsrecht der Völker wurde Schleswig geteilt; der nördliche Teil wurde an das dänische Königreich abgetreten. Südschleswig blieb mit Holstein dem Deutschen Reich enthalten. Man kann ohne weiteres sagen, daß diese Maßnahme so etwas wie eine Geburtsstunde der deutschen Volksgruppe in Dänemark zum Inhalt hatte. Die Deutschen hatten in Tondern, Apenrade, Sonderburg und Hadersleben, aber auch in der Peripherie des südlichen Nordschleswig ihre Zentren. Die Zeit danach war seitens der deutschen Minderheit von dem Anrecht auf eine Grenzberichtigung geprägt.

Deutsche Besatzung Dänemarks im Zweiten Weltkrieg

Ein Jahr vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kam es zur Gleichschaltung aller deutsch-nordschleswigschen Verbände und Organisationen. Diese Akte kulminierten in einer schweren Belastung des Grenzlandklimas. Ähnlich war es, als im April 1940 deutsche Truppen das kleine Dänemark besetzten. Die kriegerischen Auseinandersetzungen forderten auch von der deutschen Bevölkerung schwere Opfer. Die naturgemäß enge Verbindung der deutschen Volksgruppe zur deutschen Besatzungsmacht und die Kriegsteilnahme von vielen Freiwilligen, welche der Minderheit angehörten, belasteten in der Nachkriegsära noch lange das Verhältnis zwischen Dänen und Deutschen.

Neuanfang nach dem Krieg

Das Kriegsende brachte eine einschneidende und in der gleichen Weise fundamentale Neuformation der Politik der deutschen Volksgruppe. Die 1920 gezogene Staatsgrenze wurde gebilligt; es folgte eine Loyalitätserklärung gegenüber Dänemark. Die Absage der ursprünglich umstrittenen Grenzziehung war ein offenkundiger Fingerzeig an die dänische Seite, daß seitens der Deutschen um Einfühlungsvermögen für ihre historisch-kulturelle Wesenseinheit und ihre weitere Existenz innerhalb des dänischen Königreiches geworben wurde. Man kann auch sagen, daß es eine Wandlung und ein Aufruf an den Staat gewesen sein, den Bewohnern deutscher Muttersprache ein gleichgestelltes Leben zu versichern.

Die Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955

Die deutsche Bevölkerung mußte sich aber noch ein Jahrzehnt lang gedulden. Die Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 wurden abgegeben. Dabei handelte es sich um analog verlaufene Erklärungen der Regierungen Dänemarks und Deutschlands jeweils gegenüber der im eigenen Staat ihr Dasein fristenden Minderheit. Diese Erklärungen gelten nach wie vor als vorbildhaft für den Umgang mit nationalen und sprachlich-kulturellen Minderheiten in Europa. Dessen ungeachtet muß man wissen, daß die Sehnsüchte nach Amnestie und Zurückerstattung des beschlagnahmten Eigentums von deutscher Seite als Eingriff in innerdänische Obliegenheiten betrachtet und demnach abgewehrt wurden.

Entspannungsprozeß hält bis heute an

Der Entspannungsprozeß führte dazu, daß das Verhältnis als gutnachbarlich beschrieben werden kann. Die deutsche Minderheit verfügte sogar über ein eigenes Mandat im Folketing. Die Staatsbesuche von Königin Margarethe II. und Bundespräsident Richard von Weizsäcker Mitte/Ende der 1980er-Jahre sorgten dafür, daß die kulturelle Gleichstellung der beiden Volksgruppen komplett anerkannt wurde. Ein weiterer positiver Wendepunkt erfolgte mit der Einladung an den Hauptvorsitzenden des Bundes Deutscher Nordschleswiger, als man die 75-Jahr-Feier der Grenzziehung von 1920 feierte. Dadurch wurde einmal mehr die Äquivalenz der deutschen Nordschleswiger hervorgehoben. Das Zentrum der deutschen Minderheit findet man im Bund Deutscher Nordschleswiger; es gibt deutsche Einrichtungen wie schulische Institutionen und Bibliotheken. Trotz ihrer Zugehörigkeit zu Dänemark sehen sich die Deutschen nun als Schleswiger und nicht so sehr als deutsch oder dänisch. Interessant ist auch der Fakt, daß die deutsche Volksgruppe als einzige Minderheit im Königreich Dänemark heute mit ihrer kulturellen und sprachlichen Eigenheit entsprechend der Rahmenkonvention des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten und durch die Charta zum Schutz von Regional- und Minderheitensprachen anerkannt wird.

Deutsch-dänisches Grenzland besitzt Modellcharakter

Der 2003 verstorbene dänische Politiker Ivan Hansen, der der konservativ-liberalen Partei angehörte, gab zu Protokoll: „Man erkennt einen demokratischen Staat zuallererst daran, wie er seine Minderheiten behandelt. Der Modellcharakter des deutsch-dänischen Grenzlandes liegt in der guten Behandlung der Minderheiten. Wir haben dadurch die Möglichkeit, anderen Staaten und Minderheiten zu zeigen, wie sich Minderheitenprobleme lösen lassen.“
Somit kann das Ganze als Stück Hoffnung für andere Minderheiten angesehen werden, die in Europa oder in der Welt um ihre Daseinsberechtigung kämpfen oder sogar in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt sind. Die Entwicklung vom Gegeneinander zum Miteinander sollte bei der gegenseitigen Wertschätzung und Anerkennung das Ziel sein, das realistisch angepeilt und keineswegs als hohle Phrase angesehen werden kann.

Beitrag teilen

Facebook
Twitter
Email
Telegram
Print