von Michael Schäfer
Comics seien lächerlicher Kinderkram oder hohler Schund – so lauten die noch immer wahrnehmbaren Vorurteile vieler Menschen quer durch alle Altersgruppen, wenn es um graphische Erzählungen geht. Noch 1955 mußte der Bundesgerichtshof entscheiden, daß die „Bildstreifenhefte“ nicht per se jugendgefährdend seien und so ein Komplettverbot an den Kiosken verhindern. Heute aber haben Comics kulturell einen anderen Stellenwert eingenommen. Es gibt nicht nur die billigen bunten Heftchen für Kinder, sondern viele verschiedene Formate für alle möglichen Zielgruppen und zu den unterschiedlichsten Themenbereichen. Comics werden im Schulunterricht eingesetzt, aber auch von zwielichtigen Organisationen – wie der berüchtigten Amadeu Antonio Stiftung oder dem einschlägigen Recherchenetzwerk CORRECTIV – für ihre Propaganda mißbraucht. Der Buchhandel verpaßt den Bildgeschichten verkaufsfördernde Etiketten wie „Graphic Novel“ oder „Bildromane“ und preist sie als Hochkultur an. Comics haben heute in allen Teilen der Gesellschaft ihre kleine Nische gefunden und sind eine akzeptierte Kulturform.
Vom Schmuddelkind zum Milliardengeschäft
Zeitgleich zur gesellschaftlichen Etablierung sind Comics die Grundlage für ein Milliardengeschäft und ein Zugang zu Millionen Kinderzimmern weltweit geworden. Mit der filmischen Verarbeitung der Sprechblasengeschichten werden allein an den Kinokassen und bei Streamingdiensten Unsummen verdient. Mit Avengers: Endgame, einer epischen Schlacht zwischen Superhelden und Superschurken, ist eine Comicverfilmung mit einem Einspielergebnis von 2,79 Milliarden Euro der zweiterfolgreichste Film aller Zeiten. Begleitet wird der Rummel um die Comicfiguren von Merchandising, Serien, Spielen und Produkten aller Art – für alle Zielgruppen. Viele Kinder und Jugendliche kennen sich in den Welten von Marvel und DC, den beiden weltweit wichtigsten Comicverlagen, besser aus als in der heimischen Märchen- und Sagenwelt. Das mag einem nicht gefallen, ist aber ein Faktum.
Die großen Konzerne hinter den Comicverlagen wissen um ihre Macht und setzen sie gezielt ein. Mit dem Kult um die liebgewonnenen Comic-Helden wird heute eine intensive Identitätspolitik betrieben. Über Jahrzehnte entstandene „Ikonen“ werden für die Ideologisierung ganzer Generationen mißbraucht. So hat sich beispielsweise der Sohn von Superman, dem Urvater aller Superhelden, in den aktuellen Ausgaben als homosexuell geoutet und ist in einer Beziehung mit einem kleinen Asiaten mit lila gefärbten Haaren. Das Titelbild von Action Comics #1044 zeigt Superman in seiner zivilen Identität als Clark Kent als „stolzen Vater“ auf einer ethnisch sehr durchmischten LGBTQ-Parade mit der sogenannten Progress-Flag in der Hand. Dabei handelt es sich um eine der unzähligen LGBTQ-Phantasiefahnen, die laut dem Flaggenlexikon des Christopher Street Days Deutschland ein besonderes Augenmerk „auf trans* Menschen, Schwarze und andere Personen of Color“ legen. Absurde Beispiele wie diese gibt es in der Unterhaltungsindustrie leider zuhauf, sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa. Es ist der bekannte, dekadente Werteverfall des Westens, der in allen gesellschaftlichen Bereichen mit aller Macht durchgedrückt wird.
Comicfiguren und Comic-Künstler werden vom Mainstream verbannt, wenn sie nicht mehr in die Schablonen des Zeitgeistes passen.
Natürlich haben einige Leser, Händler, Zeichner und Autoren rebelliert. Aber wenn sie die neuen Inhalte nicht mittragen, werden sie kaltgestellt. Nur wenige der bekannten Comicmacher hatten den Mut, sich einer Gegenbewegung anzuschließen oder den Weg in die Unabhängigkeit zu wagen. Nur wenige Leser und Händler trauen sich, diese Mißstände öffentlich zu kritisieren. Viele wenden sich einfach still ab und überlassen anderen das Feld.
Wie intensiv dieser Kulturkampf aktuell geführt wird, zeigen u. a. die Versuche des US-Bundesstaates Florida, besonders Grundschüler vor aufgezwungenen LGBTQ-Inhalten zu schützen. Dagegen stemmte sich der mächtige Disney-Konzern, der auch hinter bekannten Marken wie Star Wars oder eben Marvel Comics steckt. Der Konzern erklärte es zu seinem Ziel, daß das Gesetz für die „Rechte der Eltern im Schulunterricht“ wieder aufgehoben werde. Das Unternehmen mit der Maus geht sogar noch weiter: Gerade erst wurde öffentlich, daß der fast hundert Jahre alte Konzern 3.000 seiner eigenen Comicgeschichten und sogar einige der eigenen Figuren intern verboten habe. Bestimmte Comics, u.a. mit dem bekannten Dagobert Duck, dürfen nicht mehr nachgedruckt werden und sollen in den Giftschrank wandern.
David gegen Goliath
Ähnlich schwer haben es Autoren und Zeichner in der deutschsprachigen Comicszene. Wer nicht auf LGBTQ-Linie ist, die Migrationspolitik kritisiert oder während der Coronakrise Bedenken gegenüber der Maßnahmenpolitik hatte, wird öffentlich angegriffen und muß um seine wirtschaftliche Grundlage bangen. Leser, Autoren und Künstler standen so vor der Frage, ob man das einflußreiche Medium Comic komplett den „woken“ Großkonzernen und ihren Mitläufern überlassen wolle oder ob man diesen, wenn auch nur im Kleinen, etwas entgegenstellen solle. Genau dieser Widerstand im Kleinen war der Gründungsgedanke von HYDRA COMICS. Es braucht einen Ort, wo die Geschichten erscheinen können, die bei den großen Verlagen keinen Platz mehr finden. Einen Ort, wo Künstler noch ohne ideologische Vorgaben arbeiten können. Denn die Vorteile der „neunten Kunst“, wie Comics von ihren Lesern oft bezeichnet werden, liegen auf der Hand.
Niederschwelliger Zugang zur Hochkultur
Ein gutes Beispiel hierfür ist unser Comicroman Yukio Mishima – Der letzte Samurai. Bei der Kunst des dreimal für den Literaturnobelpreis nominierten Mishimas ging es immer um eine ganz besondere Ästhetik, die er in seiner Arbeit als Autor, Schauspieler, Regisseur und politischer Aktivist vermittelte. Diese Ästhetik zu verstehen, einzufangen und wiederzugeben, kann einem gut gemachten Comic gelingen, der so die Möglichkeit bietet, sich anhand eines niedrigschwelligen Einstieges mit einem komplexen Künstler auseinanderzusetzen. So können Menschen erreicht werden, die sonst keinen Zugang zum Thema gefunden hätten, und eine weitgehend vergessene Geschichte wird wiederbelebt.
Einen anderen Ansatz verfolgt unsere Heftserie HYDRA COMICS. Ähnlich wie bei der streng an den Zeitgeist angepaßten Konkurrenz steht die Unterhaltung im Mittelpunkt, und politische Themen werden nicht mit dem Holzhammer vermittelt. Während es bei den großen Verlagen normal ist, daß Figuren in einem in Deutschland spielenden Comic aus allen Teilen der Welt stammen, ist es bei uns selbstverständlich, daß die Charaktere einander z.B. in der örtlichen Studentenverbindung kennenlernen. Wir erzählen Science Fiction-, Mystery-, Superhelden- oder klassische Actiongeschichten, die vor allem Spaß machen sollen. Eine Regel dabei ist, daß es keine Denkverbote gibt und man sich in unseren Comicwelten „austoben“ kann. So stellen wir uns beispielsweise im aktuellen Heft die Frage, was wir tun würden, wenn wir für 24 Stunden Superkräfte hätten – eine Frage, die im Büro von Kanzler Scholz endet…
Im Comicbereich auf Augenhöhe mit den „Großen“
Anders als bei anderen Unterhaltungsmedien können wir im Comicbereich auf Augenhöhe mit dem Mainstream arbeiten. Während nonkonforme Kinofilme, Serien oder Videospiele im Stil der großen Konzerne noch Zukunftsmusik sind, herrscht bei den vergleichsweise mit geringerem Aufwand herstellbaren Comics weitgehend Waffengleichheit. Es liegt an den eigenen Autoren und Zeichnern, Welten entstehen zu lassen, die es mit dem Mainstream aufnehmen können. Das ist ein Vorteil, den nur wenige Medien im aktuellen Kulturkampf zu bieten haben. Diesen Vorteil gilt es auszunutzen, um Bildgeschichten zu schaffen, die man noch bedenkenlos an seine Kinder, Neffen oder Kommilitonen weitergeben kann. Und selbst, wenn man dem Medium persönlich nichts abgewinnen kann, sollte man froh sein, daß es so viele Aktivisten und Künstler gibt, die sich dafür einsetzen, die Hoheit über die Kinderzimmer, Schulklassen und Hörsäle nicht komplett den Großkonzernen und ihrer verdrehten Identitätspolitik zu überlassen.
Über den Autor:
Michael Schäfer, geb. 1982, ist Diplom-Politikwissenschaftler, Wirtschaftsfachwirt und Gründer des Hydra Verlags, in dem auch von ihm selbst geschriebene Comics erscheinen.