von Olaf Tanne
Mit der heutigen Bundeswehr hat Deutschland die wohl dysfunktionalste Armee seiner Geschichte seit dem 19. Jahrhundert. Das sind die Eckdaten.
Die BRD hat heute rund 83,6 Millionen Einwohner – zum Stichtag 31.12.2024 waren dabei über 14 Millionen Personen im Ausländerzentralregister erfaßt – und zählt mit durchschnittlich 237 Einwohnern pro Quadratkilometer zu den dicht besiedelten Flächenstaaten, mit neun Nachbarländern und 3.876 Kilometern Grenze – mitten in der NATO. Nach 1989 war weit und breit kein Feind in Sicht. Dementsprechend friedensgeschwächt ist die Bundeswehr.
1980 hatte die Bundeswehr noch 490.243 Soldaten. Jetzt ist alles anders: Die Bundeswehr der ausgesetzten Wehrpflicht ist dem Personalziel von 203.000 Soldaten bis 2031 letztes Jahr erneut nicht näher gekommen. Ende 2024 lag die Zahl der aktiven Soldatinnen und Soldaten bei 181.17 – ein leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr. Die Altersstruktur verschlechtert sich dabei weiter: Das Durchschnittsalter der Bundeswehr stieg von 32,4 Jahren (2019) auf 34 Jahre (2024). Die Zahl der Bewerbungen und Neueinstellungen konnte leicht gesteigert werden, doch der hohe Anteil an Abbrechern bleibt ein Problem. Von den 2023 eingestellten 18.810 Soldaten verließen mehr als ein Viertel die Bundeswehr bereits innerhalb der ersten sechs Monate. Ein Großteil nutzte die Möglichkeit, innerhalb der Probezeit ohne große Hürden auszutreten. In einer Firma würde man das als katastrophal bewerten.
Trotz bestehender Beförderungsansprüche wurden Soldaten jahrelang nicht befördert, da Planstellen fehlten. Ende 2024 warteten 4.006 Bundeswehrangehörige auf eine längst überfällige Beförderung. Unbesetzte Dienstposten sind ein massives Problem: 20 % der Dienstposten für Unteroffiziere und Offiziere blieben vakant, dazu 28 % der Dienstposten für Mannschaften. Dies gefährdet nicht nur die Einsatzbereitschaft, sondern belastet auch die verbleibenden Soldaten übermäßig. Die Bundeswehr benötigt zudem 90.000 aktive Reservisten, doch aktuell stehen nur 16.000 bis 19.000 pro Jahr zur Verfügung. Die Debatte um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht wurde 2024 erneut geführt, die mögliche Umsetzung jedoch durch die vorgezogenen Bundestagswahlen verzögert.
Die materielle Ausstattung der Bundeswehr bleibt trotz einiger Fortschritte weiterhin ein kritischer Punkt. Die Vollausstattung ist noch lange nicht erreicht, und es bestehen erhebliche Probleme in der Beschaffung sowie in der Instandhaltung von Großgerät. Dafür wurden Fortschritte bei der persönlichen Schutzausrüstung erzielt: Schutzwesten, Helme und Kälte- bzw. Nässeschutz stehen mittlerweile in ausreichender Anzahl zur Verfügung. Drohnen und Drohnenabwehr gewinnen zunehmend an Bedeutung. Es gibt neue strategische Planungen zur besseren Integration dieser Technologien. Trotzdem fehlen für die Vollausstattung weiterhin Fahrzeuge, Waffen und Munition.
Die NATO gibt eine Munitionsreserve von dreißig Tagen vor – die Bundeswehr würde im Gefecht aktuell zwei Tage schaffen.
Die Verfügbarkeit von Panzern, Flugzeugen und Schiffen bleibt ebenfalls mangelhaft. Ersatzteile sind knapp, was die Einsatzfähigkeit weiter einschränkt. Luftfahrzeuge und Schiffe sind häufig nicht einsatzbereit, da Wartungen durch lange Bürokratieprozesse verzögert werden.
Der reguläre Verteidigungshaushalt stieg 2024 auf 52 Milliarden Euro, zusätzlich wurden 19,8 Milliarden aus dem „Sondervermögen“ bereitgestellt. Das Problem bleibt, daß nicht alle zur Verfügung stehenden Mittel ausgegeben werden. Insgesamt sind 82 % der Mittel aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen bereits verplant. Und die Infrastruktur der Bundeswehr ist weiterhin in einem schlechten Zustand. Viele Standorte sind marode, Sanierungen verlaufen schleppend. Der Investitionsbedarf beträgt 67 Milliarden Euro.
Die Bundeswehr steht also vor erheblichen Herausforderungen: Es sind weitere massive Anstrengungen nötig, um sie zukunftsfähig oder „kriegstüchtig“, so Verteidigungsminister Pistorius, zu machen. Personalmangel, überalterte Infrastruktur und Materialengpässe gefährden die Einsatzbereitschaft. Bürokratie bleibt ein Hindernis, insbesondere bei der Beschaffung und bei Bauprojekten. Aber leben tun die Soldaten gut: Eine Studie der Sporthochschule Köln und des Bundeswehrsanitätsdienstes belegt: 40 % der Soldaten sind übergewichtig, in einer zivilen Vergleichsgruppe dagegen nur 35 %. Stark übergewichtig sind 8,5 % der Soldaten, hingegen nur 7,1 % der Zivilisten. Bei der Fettleibigkeit siegt blamablerweise also die Bundeswehr.