Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

Buch des Monats

Auch für 2025 gibt es wieder einen Herzhaften Hauskalender – das Soziale Friedenswerk gibt ihn nunmehr seit über siebzig Jahren heraus, ein großer Teil des
Erlöses kommt bedürftigen Kindern der deutschsprachigen Volksgruppen im benachbarten Ausland, aber auch beeinträchtigten österreichischen Kindern zu.
Das Thema des Kalenderbuches für 2025 heißt „Handwerk und Industrie“. Wieder haben Konrad Markward Weiß und Caroline Sommerfeld liebevoll Gedichte, Erzählungen, Historisches und eine erkleckliche Anzahl an illustrativen, heiteren und ergreifenden Bildern gesammelt. Doch nicht nur das: Zu den literarischen Fundstücken gibt es jeweils ein Autorenporträt, denn jeder kennt Goethe und Schiller, niemand aber etwa Karl Bröger, Walter Sachs oder Georg K. Glaser. Allein die Wiedererinnerung an vergessene Dichtercharaktere lohnt die Lektüre des Herzhaften Hauskalenders – man ist erstaunt, wie klar und dicht die Sprache bei
modernen Autoren ist, die nicht zu modernistisch-verfremdenden Stilmitteln greifen. Es steht zu wünschen, daß die Herausgeber diese erfreuliche Tendenz, fast
Vergessenes auszugraben, beibehalten werden, die auch schon bei Engel und Teufel (2022) und Aussaat und Ernte (2023) deutlich wurde.

Das diesjährige Thema vereint ganz vortrefflich Blütenlese und Anregung zum Nachdenken über unsere Geschichte.

Wenn man bedenkt, daß im Lateinischen „industria“ nichts anderes als „Fleiß“ heißt, besteht eigentlich kein Unterschied zwischen Handwerk und Industrie – beides erfordert den größten menschlichen Arbeitsfleiß. „Ohne Fleiß kein Preis“, lautet das Sprichwort, und in der Tat ist der Fleiß der Handwerksleute in der deutschen Dichtung von ihrem Anbeginn im Mittelalter gepriesen worden. Der Herzhafte Hauskalender setzt vor allem in seiner ersten Hälfte dem Handwerk in seinen unterschiedlichsten Berufen – untergegangenen und heute noch gepflegten, feinstem Meisterwerk und grober körperlicher Schinderei – ein Denkmal.

Das, was man „den Fortschritt der Geschichte“ nennt, verschonte aber auch das Handwerk nicht. Im 19. Jh. ergriff die Industrialisierung die alten Berufe und führte in der Literatur zum Lobpreis der Fabrik, stark betont in der sozialistischen Lyrik und Prosa, genauso wie zum – literarisch gehaltvolleren – melancholischen Abgesang. Das Volk wurde herausgerissen aus gewachsenen Lebens- und Arbeitszusammenhängen und der einzelne Mensch als Arbeiter zum Rädchen im Getriebe. Bekannte Autoren wie Gerhard Hauptmann, Heinrich Heine und Josef Weinheber sehen gestochen scharf die seelischen und materiellen Verwerfungen, die dieser Wandel mit sich bringt, aber ebenso den unaufhaltsamen Fortschritt. Industrialisierung heißt auch: Proletarierkult, expressionistische Moderne, Unwiederbringlichkeit der alten Welt. Die von den Herausgebern gewählten Beispiele balancieren diese Tragik fein aus, es hätte allerdings vielleicht auch das eine oder andere Stück aus der Literatur der DDR seinen Platz finden können.

Hinzuweisen bleibt noch auf die treffliche Idee, im Kalenderteil – der wie gehabt, genauso wie erfreulich viele faksimiliert wiedergegebene Textproben, in Frakturschrift erscheint – die Namenstage und Schutzheiligen der Handwerker und Arbeiter anzuführen. Der Herzhafte Hauskalender für das Jahr 2025 erscheint in Rot und Gold: Die glühenden Hochöfen der Schwerindustrie, das Blut der Armen und die kommunistische Fahne tragen die rote Farbe – und das Handwerk hat bekanntlich „goldenen Boden“, arbeitet mit glänzend polierten Werkzeugen und ist von überzeitlich bleibendem Wert.
Apropos überzeitlicher Wert: Die Hauskalender sind allesamt nicht in dem Sinne Kalender, als sie nur für das jeweilige Jahr Verwendung finden wie ein Abreiß- oder Wandkalender, sondern sie bieten als Themensammlung die Möglichkeit, immer wieder auf sie zurückzugreifen. Wer ein Gedicht sucht für eine Gratulation, als Lehrer einen Text zu einem literarischen Motiv für seine Schüler finden möchte oder im Antiquariat plötzlich ein Bändchen in der
Hand hat, wovon der Name des Verfassers ihm bekannt vorkommt, der zehrt vom Herzhaften Hauskalender – das seltsame Wort „herzhaft“ bekommt dadurch noch eine schöne Bedeutung dazu.

Gottlieb Hötzelsdorf

Konrad Markward Weiß / Caroline Sommerfeld
Handwerk und Industrie

Soziales Friedenswerk 2024
gebunden, 192 S., € 23

Hier bestellen: https://marktplatz.oelm.at/produkt/herzhafter-hauskalender-2025-handwerk-und-industrie/

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