Bruno Brehm zum 50. Todestag

von Norbert Prohaska

Bruno Brehm wurde am 23. Mai 1892 in Laibach als Sohn eines kaiserlichen Obersten geboren; „Tornisterkind“ hat man ihn damals wie viele andere auch genannt, weil die Familien der höheren Beamten und Offiziere sehr oft ihre Dienstorte wechseln mußten: Eger, Znaim und Pilsen waren die Städte, die Bruno in den Folgejahren prägten, ehe er als „Einjähriger“ bei der Artillerie seine Pflicht erfüllte. Er inskribierte daraufhin an der Wiener Universität für die Fächer Geschichte und Kunstgeschichte. Die Morde von Sarajewo am Thronfolger Franz Ferdinand und dessen Gattin Sophie setzten dem Studium ein Ende – Brehm mußte „zu den Fahnen“ eilen. In der siegreichen Schlacht von Komarow, in der Moritz von Auffenberg vom 26. August bis zum 3. September 1914 die 4. Armee führte, erhielt er die Feuertaufe, geriet aber dann schwer verwundet in russische Kriegsgefangenschaft, wo er in einem Moskauer Lazarett Freundschaft mit Erich Edwin Dwinger schloß:

Nach drei Wochen machte ich den ersten Ausgang. Im Hof stieß ich sogleich wieder auf Leutnant Brehm. Eine Granate hat aus einem seiner Füße einen Klumpfuß gemacht, er geht, das linke Bein nachziehend, am Stock einher und kommt sofort auf mich zu. „Nun“, sagt er herzlich, „zum ersten Mal in der Sonne? Das bringt einen mehr voran als vier Wochen Bettruhe! Aber warten Sie, ich hole Ihnen einen Sessel …“ Wir saßen nun häufig zusammen, bis ich neben ihm her über den Kasernenhof humpeln konnte. Und wir sprachen von Gott und der Welt, und mein junges Herz hing sich an ihn, wie das Herz eines Kindes an einen Vater. Eines Tages aber wurde ich von der russischen Kommission „gesund“ geschrieben, Man trieb alle, die ein wenig humpeln konnten, zu einem Transport nach Sibirien zusammen. Als sie durchs Tor zogen, stand Leutnant Brehm daneben. Er drückte mir beide Hände, sagte schließlich: „Ich möchte Ihnen noch etwas auf die Fahrt mitgeben!“ Es war ein Zehnrubelschein, ein Vermögen für mich, für uns alle – es war fraglich, ob im ganzen Transport eine Kopeke steckte. „Rückzahlbar in der Heimat!“, sagte er lächelnd. Ich aber konnte nicht antworten, konnte seine Hände nur noch fester drücken, als er es tat.

(Aus dem Geleitwort von Erich Edwin Dwinger in Brehms Das gelbe Ahornblatt, Karlsbad 1931)

Nach dem Frieden von Brest-Litowsk wurde Brehm ausgetauscht, ging nicht in die Etappe, sondern meldete sich erneut zum Kriegseinsatz und wurde an der Südfront in den „Sieben Gemeinden“ erneut schwer verwundet.

Der Zusammenbruch im Herbst 1918 brachte Hauptmann Brehm wieder an die Universität – in Wien, Stockholm und Göteborg –, und er erlangte mit der Arbeit Der Ursprung der germanischen Tierornamentik den Doktortitel. Nach seiner Promotion wurde er in Wien 1922 Verlagsbuchhändler und war auch kurz als Assistent an der Wiener Universität beschäftigt. Doch er erkannte, daß ihn auf Dauer weder das eine noch das andere vollends befriedigte und ging das Wagnis ein, als freischaffender Schriftsteller tätig zu werden: Mit dem Gelben Ahornblatt (1931), einer Sammlung köstlicher, humorvoller Geschichten aus der Kinder- und Jugendzeit, hatte er einen ersten großen Erfolg.

Und schließlich gelang der Durchbruch mit der Trilogie Die Throne stürzen, in der er den Kampf des Serben „Apis“ (Stier) gegen Erzherzog Ferdinand von Österreich-Este schilderte, der schließlich den Untergang der Österreichisch-Ungarischen Monarchie mit sich brachte, in dem ja mehr als nur die Throne stürzten, sondern in dem fast alle Werte und Welten niedergerissen wurden. Die Einzelbände hießen Apis und Este, Weder Kaiser noch König sowie Das war das Ende; mit einer Auflage von etwa 500.000 Stück war die Trilogie überaus erfolgreich; 1976 gab es eine Neuauflage beim dtv. Brehm versuchte, in seinem Werk nach intensivem Quellenstudium die Frage zu beantworten, wie es zum Ersten Weltkrieg gekommen sei und wie das Schicksal der Nachfolgestaaten seinen damals unheilvollen Lauf genommen habe. Brehm hat diese Fragen aus der Sicht des deutschen Österreichers zu beantworten versucht.

Mit dem Erfolg hatte der Name des Schriftstellers nun einen besonderen Klang erhalten, was ihm wohl Auftrag war, auch in weiteren Büchern die deutsche Sendung seiner Heimat herauszuarbeiten und den unheilvollen Bruderzwist des Jahres 1866 zu schildern. Er erkannte in dem verhängnisvollen Ausgleich Österreichs mit Ungarn von 1867 eine schicksalshafte Folge der Schlacht von Königgrätz, die die Deutschen in der Doppelmonarchie und die Länder der böhmischen Krone aus dem großen Reich verdrängte und in der Doppelmonarchie trotz deren wirtschaftlicher Führungsposition und ihres Anteils von 24% (47% Slawen, 20% Madjaren) vernachlässigte.

Auch weitere Bücher hatten die untergehende Donaumonarchie als historischen Hintergrund, so  Am Rande des Abgrunds und Im Schatten der Macht, aber auch die Freiheitskriege gegen Napoleon. Brehm war zwar kein extremer Vielschreiber, hat aber doch eine stattliche Zahl von Büchern geschaffen, darunter Der lachende Gott, Auf Wiedersehen, Susanne, König von Rücken, Die schrecklichen Pferde (über den Zug der Welser ins Goldland Venezuela), Die sanfte Gewalt, Über die Tapferkeit.

Außerdem gab Bruno Brehm von 1939 bis 1942 monatlich den Getreuen Eckart heraus, die großartige Familienzeitschrift des Deutschen Schulvereines, zu der er selbst auch manches beitrug wie Von deutscher Seele, ehe sie im März 1943 wegen der Papier- und Personalengpässe „vorläufig“ eingestellt wurde. Von 1941 bis 1944 war Bruno Brehm Ordonanzoffizier in Griechenland, Rußland und Nordafrika, nach Kriegsende wurde er in Ried inhaftiert und in Glasenbach zur „Entnazifizierung“ interniert. Der nach Palästina emigrierte Schriftsteller Leo Perutz setzte sich aber für ihn ein – Brehm hatte ihm 1938 Unterstützung zukommen lassen, die Vorwürfe wurden daher fallengelassen.

Ab 1945 lebte Brehm mit seiner Familie in Gößl, danach in Grundlsee und schließlich in Altaussee Nr. 137. In ein Gästebuch schrieb Brehm bewundernd über das Ausseerland: „Mit den Menschen werden Sie gut auskommen, denn sie sind hier alle in ihr Land verliebt, und wenn Sie das Land lieben lernen, dann werden Sie in diese Liebe miteingeschlossen.“ Brehm war weiterhin als Schriftsteller tätig: Er schuf die Schatten der Macht. Von den Pharaonen bis zum letzten Zaren (1949), den Roman Aus der Reitschul’ mit deutlich autobiographischem Inhalt und Heimat in Böhmen. Lebenserinnerungen (1951).

In der Trilogie Das zwölfjährige Reich, vom Verlag Styria 1960 und 1961 herausgegeben, versuchte Bruno Brehm, die Vorgeschichte, die zum Nationalsozialismus geführt hatte, darzustellen und Erklärungen zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges zu geben. Diese Aufarbeitung wurde von vielen Zeitgenossen gelobt und anerkannt. Die Einzeltitel waren: Der Trommler, Der böhmische Gefreite und Wehe den Besiegten allen. Es folgten weitere historische Werke wie die Romane Am Ende stand Königgrätz (1965) und Der Weg zum Roten Oktober (1967).

Brehm nahm 1953-55 an den Pürgger Dichterwochen teil, dort soll er einem Kollegen, der sich mit den Worten „Friedrich Torberg, von der Neuen Zeit“ vorgestellt hatte, geantwortet haben: „Bruno Brehm, von der alten Zeit.“ Bruno Brehm erhielt schon 1942 die „Prinz-Eugen-Medaille“ der Stadt Wien und trotz mancher mißgünstiger Kritiken auch später verdiente Ehrungen: 1963 den „Sudetendeutschen Kulturpreis“, 1962 den „Peter-Rosegger-Preis“ des Landes Steiermark, 1968 die „Adalbert-Stifter-Medaille“ und den Professorentitel.

1967 ehrte die Gemeinde Altaussee ihren Bewohner mit der Ehrenbürgerschaft und benannte den Weg, an dem er wohnte, nach ihm. Vor 49 Jahren, am 5. Juli 1974, verstarb Bruno Brehm und wurde in Altaussee begraben.

Das Wichtigste, was du in der Fremde wissen mußt, ist, daß das Volk und das fremde Land nach anderen Gesetzen gewachsen und von einer anderen Vergangenheit geformt sind als dein Volk und dein Vaterland. Alles, was dir anders und fremd erscheint, das Aussehen der Menschen, die Sprache, der Gang, die Bauart der Häuser und das Essen, ist nicht deshalb anders, um dein Mißfallen zu erregen und um dir Schwierigkeiten zu bereiten, sondern, weil in der Fremde eben alles auf ganz anderen Voraussetzungen beruht, auf anderer Rasse, anderer Witterung, anderem Boden, anderer Vergangenheit als bei dir daheim. Wohl sollst du an dich selbst in der Fremde den gleichen Maßstab anlegen, mit dem du daheim gemessen werden willst, du sollst dir in der Fremde nichts herausnehmen, was du dir daheim unter den prüfenden Blicken deiner Volksgenossen, von deren Achtung du abhängst, versagen müßtest.

Denn die Fremde ist nicht der Ort, wo du dich gehen lassen kannst, weil man dich dort nicht kennt; im Gegenteil, nirgends mußt du dich so zusammennehmen wie in einem fremden Land. Denn du lernst ja nicht als ein wesenloser Geist die fremden Städte kennen, da doch mit dir und durch dich ein Stück Heimat, ein Vertreter deines Vaterlandes in die Fremde kommt. Nicht nur deine Augen sehen und staunen, du wirst ja auch selbst gesehen und bestaunt. Nicht nur du urteilst und vergleichst, du wirst ja selbst auch beurteilt und verglichen. Während in einem fremden Lande neben dem von dir abfällig Beurteilten und gering Gewerteten noch immer auch das Bessere stehen kann, eine große Vergangenheit neben einer kleinen Gegenwart, eine fleißige Mutter neben müßigen und geputzten Frauenzimmern, stehst du vor den Fremden allein, und kein Besserer stellt sich vor dich hin, um die Blößen zu verdecken, die du dir und deinem Volke gegeben hast.

(Aus: Deutsche Haltung vor Fremden, Steirische Verlagsanstalt, Graz 1943)

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