Bräuche im Mittelalter – Brot und Spiele

Brauchtum (7)

von Reinhild Bauer

Das allseits als düster bezeichnete Mittelalter ist im Hinblick auf die Entwicklung unserer Bräuche und Kultur ein großer Lichtblick. Als Hauptepoche der Christianisierung des Abendlandes fällt in das Frühmittelalter die schnelle Ausprägung der christlichen Bräuche und die Umprägung der alten germanischen Riten. Die Kirche merkte schnell, daß die Menschen nicht bereit waren, ihre alten Rituale und religiösen Sitten aufzugeben. Daher wurden germanische Bräuche aus dem ganzen Jahreslauf übernommen und abgewandelt, sodaß sie in die christliche Glaubenslehre paßten: Beispiele sind die Wandlung der Wintersonnwende zur Geburt Jesu und das Frühlingsfest zur Auferstehung Jesu.

 Zur Zeit der Germanen wurden die Feste aus naturreligiöser Sicht begangen und entwickelten sich aus dem Bedürfnis, die Götter zu verehren und ihnen zu danken. Da das Bevölkerungsgefüge in germanischen Zeiten anders gestaltet war als später im Mittelalter, war das Bei-Laune-halten der Menschen kein Grund zur Einführung eines Festes. Durch die Änderung der Lebensbedingungen großer Teile der Bevölkerung aber rückten der Dank und das Opfer an die höhere Macht als Auslöser in den Hintergrund, das eigene Vergnügen und die Kurzweil gewannen an Bedeutung.

Als Angehörige des Bauernstandes war der Großteil der Menschen einem harten Arbeitspensum unterworfen. Um die Laune und Arbeitswilligkeit der Menschen zu erhalten, etablierte die Kirche zahlreiche Feste und Feiertage, die sich allesamt durch lange Tafeln und volle Krüge auszeichneten. Bis heute ist das gute und üppige Essen an Festtagen ein wesentlicher Bestandteil geblieben und prägt auch Feste in unserer Zeit noch stark.

Ein weiteres Relikt des Frühmittelalters ist das Feiern des Namenstages. Viele Eltern orientierten sich zu dieser Zeit an den Heiligen und benannten ihre Kinder nach diesen. Der Namenstag fällt daher auf den Gedenktag des Heiligen, der als Namensgeber für den Menschen fungiert. Damit ist der Namenstag ein Feiern des Namensgebers des Kindes.

Nebst der Entstehung der christlichen Bräuche und der Gestaltung von Festtagen mit großzügigen Festmahlen und kurzweiligem Unterhaltungsprogramm – wie beim Fasching, Krippenspielen oder zu den Festtagen passenden Theater – führte diese Entwicklung zu einem Aufschwung der Kultur. Durch die Änderung der Festinhalte und der Festgestaltung war es auch notwendig, neue Lieder und neue Tänze zu entwickeln.

Das „düstere“ Mittelalter kann daher als Wiege der bis heute überlieferten und gelebten christlichen Bräuche und Jahresfeste bezeichnet werden.

Über die Autorin:

28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.

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