Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

„Bislang größte Vertreibung von Menschen weltweit“

Dr. Mario Kandil im Gespräch über seine neue Eckartschrift Die ­deutschen Vertreibungsverluste 1944 bis 1948.

Ulrike Raich: Obwohl „Wonnemonat“ ist der Mai auch dem Gedenken an jene Vorfahren gewidmet, die vor mittlerweile 80 Jahren durch Flucht und Vertreibung ihre Heimat verloren haben. Können Sie mit wenigen Zahlen die Dimension dieser Tragödie zusammenfassen?

Dr. Mario Kandil: Für Ostdeutschland, Ost- und Südeuropa ohne Rußlanddeutsche und die zugezogene Bevölkerung ergibt sich an Toten die Zahl von 2,23 Millionen. Zu ihr sind 0,35 Millionen umgekommene Rußlanddeutsche hinzuzuzählen und 0,22 Millionen Tote der nach 1939 zugezogenen Bevölkerung. Daraus resultiert eine Gesamtzahl von 2,8 Millionen. Grob gerechnet liegen bei der deutschen Zivilbevölkerung im Osten die Vertreibungsverluste einschließlich der Verluste durch Deportation zwischen 2,5 und 3 Millionen Menschen – das entspricht der Einwohnerzahl Irlands zu dieser Zeit.

Hat es solche Dimensionen in der Geschichte schon einmal gegeben?
Nein. Mit 16,5 bis 20 Millionen Menschen stellt die Vertreibung der Ost-, Südost- und Sudetendeutschen aus ihren uralten deutschen Heimat- bzw. Siedlungsgebieten die bislang größte Vertreibung weltweit dar.

Wie steht es um die Aufarbeitung dieser Ereignisse?
Aufgearbeitet werden diese Ereignisse meistens nur so, daß die deutschen Opferzahlen möglichst niedrig erscheinen – gemäß der Devise der Antideutschen, daß Deutsche niemals Opfer, sondern einzig Täter sein könnten. In der Regel fehlen dann zudem oft die eindeutige Benennung derjenigen, die die Vertreibungsverbrechen an Deutschen begingen, und die Verurteilung dieser Verbrechen.

Welche bekannten Persönlichkeiten aus der heimischen Politik haben sich in der jüngeren Vergangenheit für Gerechtigkeit und die Verurteilung der damaligen Verbrechen ausgesprochen?
In jüngerer Vergangenheit sind in der BRD nur der frühere deutsche Bundespräsident Roman Herzog (CDU), der frühere SPD-Bundesgeschäftsführer Peter Glotz sowie die Ex-BdV-Präsidentin Erika Steinbach anzuführen. Alle wiesen ausdrücklich darauf hin, daß kein Unrecht ein anderes Unrecht zu rechtfertigen vermöge. Österreich ist hier weniger geschichtsvergessen, alle Parlamentsparteien haben noch einen Vertriebenensprecher, wenngleich diese je nach politischer Ausrichtung Vertreibung nicht unbedingt auf die eigenen Volksangehörigen beziehen.

Und im Ausland?
In der unmittelbaren Nachkriegszeit gab es nur in Großbritannien und auch dort bloß zwei rühmliche Ausnahmen, die sich sehr mutig gegen die Massenvertreibungen von Deutschen aussprachen: den britisch-jüdischen Verleger und Humanisten Victor Gollancz und die Konferenz der Anglikanischen Kirche Großbritanniens unter Vorsitz des Erzbischofs von Canterbury.

Das ist wenig, sehr wenig. Sehen Sie in der mangelnden Verurteilung dieser Verbrechen eine Blaupause für künftige Vertreibungen?
Diese Nachahmung ist längst geschehen. Die in völkerrechtswidriger Weise erfolgte Vertreibung der Ostdeutschen hat einen erschreckenden Verfall der politischen Sitten erzeugt, der in negativer Weise beispielgebend wirkte und wirkt. Dem gab wohl zuerst der neuseeländische Ökonom Allan G. B. Fisher im Jahre 1945 in einem Artikel und dann erneut in einem seiner Vorträge Ausdruck: Er wies darauf hin, daß die Völker Afrikas, Kleinasiens sowie des Fernen Ostens gewohnt seien, Gewohnheiten und Dogmen zu übernehmen – und dazu zählt auch die Vertreibung von Minderheiten. Für die Zukunft befürchte ich also noch eine Verschlimmerung dessen, was schon jetzt Stand der Dinge ist. Man sehe in diesem Kontext nur einmal auf die Konflikte im Nahen Osten.

Wird heute zum Thema Vertreibung der Deutschen ab 1944 noch geforscht und wenn ja, von wem?
Hier ist an erster Stelle der US-amerikanische Völkerrechtler, Historiker und frühere UN-Beamte Alfred Maurice de Zayas (geb. 1947) zu nennen. In beispielhafter Weise ist er von dem Bestreben getragen, den bis heute immerzu dämonisierten Deutschen historische Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Sonst jedoch ist dieses Thema – wie übrigens auch der deutsche Widerstand gegen Hitler – in den USA bis heute nahezu ein Tabu.

Und in Europa, insbesondere den betroffenen Staaten diesseits und jenseits des Inns?
In den deutschen Ländern bedienen die allermeisten um ihre ökonomische Existenz fürchtenden Historiker, wenn sie sich denn einmal mit der Vertreibung der Deutschen befassen, fast immer das Narrativ, daß Deutschland wegen der NS-Verbrechen eine „gerechte“ Strafe getroffen habe.

Danke für das Gespräch!
Die Eckartschrift Die ­deutschen Vertreibungsverluste 1944 bis 1948 finden Sie hier!
https://marktplatz.oelm.at/produkt/eckartschrift-256-die-deutschen-vertreibungsverluste-1944-bis-1948/

Beitrag teilen

Facebook
X
Email
Telegram
Print
WhatsApp