von Barbara M.
Ich bin 50 Jahre alt, deutscher Abstammung und lebe in Polen, in der Oppelner Woiwodschaft. Seit ihrer Gründung bin ich Mitglied der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien. Viele Jahre habe ich mich sehr aktiv in Kultur und Bildung sowie Jugendarbeit engagiert und bin weiter aktiv, muß aber aus gesundheitlichen Gründen ein wenig kürzer treten.
Von Anfang an habe ich aus meinem Deutschsein kein Geheimnis gemacht. In unserer Umgebung wissen die Menschen ohnehin, welcher Herkunft ich bin; und Menschen, die ich neu kennenlerne, akzeptieren dies oder eben nicht. In den Köpfen vieler Polen sind Vorurteile gegenüber Deutschen, die sie nicht abbauen können oder wollen. Dagegen kann man nicht viel tun, außer beten, daß sie aus den Fesseln der Geschichte herauskommen und sehen, daß nicht die Herkunft, sondern der Mensch selbst das Wichtigste ist; und daß Polen herkunftsmäßig nicht homogen ist, sondern viele Minderheiten umfaßt. In meinem Freundeskreis gibt es andererseits auch viele Polen, die unsere Freundschaft als Bereicherung sehen und mich sogar bei verschiedenen meiner Projekte mit der SKGD unterstützen.
Für mich persönlich war es immer wichtig, den Dialog zu suchen, danach habe ich meine Tätigkeiten stets ausgerichtet. Trotzdem bekomme ich auch negative Äußerungen zu hören, nicht mich persönlich betreffend, aber Deutsche im Allgemeinen. Mit fortschreitendem Alter wurde ich weitgehend immun gegen solche Aussagen. Ich zeige jedenfalls allen, daß ein Deutscher in Polen kein „Hitlerowiec“ oder Faschist ist, sondern ein ganz normaler Mensch, der polnische Steuern zahlt, neben der polnischen auch die deutsche Sprache beherrscht, die eigene Kultur pflegt, bewußt wählt, Christ ist und niemals aus Faulheit oder purem Egoismus die Hand um Unterstützung durch den Staat ausgestreckt hat. Man könnte sagen: ein Patriot durch und durch. Aber gerade deswegen:
Ich möchte gleiches Recht für alle, auch für mich als Deutsche in Polen.
In dieser Hinsicht werde ich leider immer pessimistischer. Noch vor einigen Jahren freuten wir uns, daß wir so viel erreicht hatten, daß so vieles endlich normal geworden war: Die Kinder lernten Deutsch als Minderheitensprache in den Schulen, das sprachliche Niveau der Schüler war und ist hoch, viele Jugendliche schließen Universitäten im Ausland ab, arbeiten als hochqualifizierte Fachkräfte in deutschen Einrichtungen – gerade deswegen, weil sie perfekt Deutsch sprechen. War all das wirklich umsonst?
Seit fast einem Jahr werden die Rechte der Deutschen – und nur der Deutschen – in Polen offen verletzt. Zum zweiten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg werden die Deutschen in Polen offen diskriminiert. Fast von einem Tag auf den anderen hat man nur den Deutschen in Polen den Deutschunterricht gekürzt – von drei auf eine Unterrichtseinheit pro Woche! Dies zeigt der jungen Generation, daß in Polen nicht jeder vor dem Gesetz gleich ist. Dieser unverständliche Schritt des Bildungsministers wird leider zum langsamen Sterben der so reichen deutschen Kultur in Polen führen.
Seit Jahren schon hört man von der rechten Seite der polnischen Politik immer lautere antideutsche Äußerungen; doch die Leittragenden sind nicht die Deutschen in Deutschland, sondern die in Polen; 50.000 Schüler wurden zu Geiseln der meines Erachtens unfähigen polnischen Außenpolitik.
Leider wird dagegen kaum etwas unternommen, obwohl die Vertreter der deutschen Minderheit sowohl Deutschland als auch das Europäische Parlament informierten. Dies ist gefährlich, weil hier die Menschenrechte geringgeschätzt werden – wenn man nichts unternimmt, wird dies anderen Mächten und Parteien einen Impuls zu ähnlichem Tun gegeben. Das Nichtstun zeigt aber auch der jungen Generation, daß einige Menschen besser als die anderen seien – wozu dann überhaupt Grundgesetze und Menschenrechte? Und schließlich:
Ohne Sprache keine Kultur, ohne Kultur keine Identität
Mir tut es leid vor allem für jene Familien, wo die Eltern noch nicht so gut Deutsch gelernt haben, um es ihren Kindern weitergeben zu können. Die ältere Generation, also die Großeltern, hatten ja leider gar kein Deutsch in der Schule. Nicht jeder hatte so viel Glück wie ich, in einer deutschsprechenden und deutschdenkenden Familie aufzuwachsen. Es wäre schade sowohl für die polnische, als auch für die deutsche Bevölkerung, wenn alle bisherigen Bemühungen um Sprache und Kultur der Deutschen in Polen zu einem langsamen Tod verurteilt würden. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt…
Über die Autorin:
Barbara M. unterrichtet als Grundschullehrerin seit 27 Jahren in einer oberschlesischen Stadt mit knapp 10.000 Einwohnern. Sie ist ehrenamtlich in der deutschen Kultur- und Jugendarbeit tätig und arbeitet seit 15 Jahren mit der Österreichischen Landsmannschaft zusammen.