Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

Alliierter Kontrollrat übernimmt oberste Regierungsgewalt in Deutschland

von Mario Kandil

Kalendarium Kandili (61)

Hatte die Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 7./9. Mai 1945 die Unterwerfung des Deutschen Reiches unter die alliierten Sieger gebracht, folgte am 5. Juni 1945, also vor nunmehr achtzig  Jahren, die Übernahme der obersten Regierungsgewalt in Deutschland durch den Alliierten Kontrollrat. Dieser Akt war ein weiterer Tiefpunkt in der deutschen Historie.

Mit der Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945 übernahmen die drei alliierten Hauptmächte USA, UdSSR und Großbritannien – Frankreich kam erst später als Siegermacht „von Gnaden“ der drei anderen dazu – die oberste Regierungsgewalt im besiegten Deutschland westlich der Oder-Neiße-Linie. Diese Gewalt ausübend, erließen die im Kontrollrat versammelten Militärgouverneure Kontrollratsgesetze und andere Bestimmungen. Diese galten für sämtliche Besatzungszonen und erforderten einen einstimmigen Beschluß. Am 5. Juni 1945 kündigten die drei alliierten Hauptmächte die Festlegung der künftigen deutschen Grenzen für einen späteren Zeitpunkt an. Es muß betont werden, daß der Alliierte Kontrollrat zur Beratung und Entscheidung über die Deutschland „als Ganzes“ betreffenden Fragen eingerichtet wurde.

Jedoch gab es für jeden Militärgouverneur ein Vetorecht, durch das er in seiner jeweiligen Besatzungszone einen eigenen Weg der Besatzungspolitik verfolgen konnte. Das gewann um so mehr an Bedeutung, als mit der wachsenden Entzweiung der Alliierten untereinander keine gemeinsamen Beschlüsse im Kontrollrat mehr möglich waren. Indem der Kalte Krieg eine gemeinschaftliche Deutschlandpolitik der Siegermächte verhinderte, verließ am 20. März 1948 der Vertreter der UdSSR den Alliierten Kontrollrat und im Juni 1948 auch die Alliierte Kommandantur. Das bedeutete de facto das Ende des Kontrollrates, der auf dem Londoner Abkommen über Kontrolleinrichtungen in Deutschland vom 14. November 1944 basierte, und führte 1949 zu Deutschlands Teilung.

Nur Einfältige werden bestreiten, daß während dieser Teilung die Souveränität der 1949 gegründeten beiden deutschen Teilstaaten Bundesrepublik Deutschland (BRD) und DDR in hohem Maße eingeschränkt geblieben sei. Für die BRD änderte sich daran auch durch die Pariser Verträge von 1954/55 kaum etwas. Erst 1990 kam es durch den Mauerfall vom November 1989 zum erneuten Zusammentreten des Alliierten Kontrollrates. Er existierte aber nur noch bis 2. Oktober 1990: Tags darauf machte die „Wiedervereinigung“ Deutschlands ihn obsolet.

Über den Autor:

Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.

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