Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

Abschluß des Hitler-Ludendorff-Prozesses vor 100 Jahren

von Mario Kandil

Kalendarium Kandili (35)

Es war die Umkehrung dessen, was das Ganze ursprünglich hatte verkörpern sollen. Den Hitler-Ludendorff-Prozeß nutzte NSDAP-Anführer Adolf Hitler zu längeren Ausführungen propagandistischer Natur, sodaß er trotz seiner Verurteilung vielen Zeitgenossen als „moralischer“ Sieger erschien. Vor 100 Jahren, am 1. April 1924, fand dieses Verfahren sein Ende.

Nach dem Scheitern des Putschversuches vom 8./9. November 1923 und der Verhaftung Adolf Hitlers sowie weiterer Beteiligter hatte die Reichsregierung zunächst versucht, das Verfahren beim Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik am Reichsgericht in Leipzig anhängig zu machen. Doch aufgrund politischer Kompromisse zwischen dem Reich und Bayern fand das Strafverfahren letztlich ab 26. Februar 1924 vor dem bayerischen Volksgericht München statt. So konnten durch ihr Verhalten während des Putschversuches kompromittierte Amtsträger wie Gustav von Kahr, Hans von Seißer und Otto von Lossow aus dem Verfahren herausgehalten werden.

Hitler, der neben General Erich Ludendorff prominenteste Angeklagte, verstand es, den von ihm planlos geführten und blamabel beendeten Putsch noch in den Triumph des Demagogen umzumünzen. Zu dem Putschversuch vom 8./9. November 1923 bekannte Hitler sich ausdrücklich und vertauschte so die Rolle des Angeklagten mit der des Anklägers. Georg Neithardt, der Vorsitzende des Gerichtes, hatte in seinem Wohlwollen für Hitler kaum etwas daran auszusetzen und rügte keine von dessen Beleidigungen und Kampfansagen gegen die „Novemberverbrecher“. Den Beifall des Publikums rügte er nur äußerst selten.

Bloß mit Mühe konnte Neithardt die drei Laienrichter überhaupt zu einem Schuldspruch veranlassen. Wegen Hochverrates (den er selbst weit von sich wies) wurde Adolf Hitler zur Mindeststrafe von fünf Jahren Festungshaft verurteilt, wobei ihm nach Verbüßung von sechs Monaten eine Bewährungsfrist in Aussicht gestellt wurde. Ludendorff wurde freigesprochen.

Indem der damalige Staat die Auseinandersetzung mit einem seiner ärgsten Feinde de facto verloren hatte, hatte er ihm die Bresche geschlagen, durch die er später das Staatsgebilde von innen heraus zerstören konnte. Hitler hatte gelernt, daß der Griff nach der Macht einzig vom Boden der Verfassung aus Erfolg verspräche.

Über den Autor:

Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.

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