von Benedikt Kaiser
Kaisers Zone (11)
Dirk Oschmann ist in Gotha geboren, hat in Jena studiert und ist Professor in Leipzig. Die thüringisch-sächsische Herkunft und seine akademische Karriere prädestinieren ihn dazu, als Experte für den Osten der BRD anerkannt zu werden. Denn die meisten Experten für „den Osten“ kommen aus „dem Westen“. Da schert Oschmann aus. Anläßlich seiner jüngsten Buchveröffentlichung Der Osten: eine westdeutsche Erfindung, die im renommierten Publikumsverlag Ullstein erschienen ist, wurde er daher von der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (5. März 2023) befragt. Da scherte Oschmann nicht aus. Im Gegenteil: Der Germanist gibt sich als Grünwähler zu erkennen und erweist sich damit wohl als innerhalb der Riege geisteswissenschaftlicher Universitätsprofessoren politisch auf Linie.
Dennoch die Frage: Sagt er Richtiges? Ja und Nein. Oschmann bemängelt – mit Recht – eine gewisse Arroganz Westdeutscher gegenüber der ehemaligen „Zone“: „Seit über 30 Jahren wird der Osten diffamiert, verhöhnt, belächelt, abgewertet, ausgeschlossen.“ Korrekt. Auch die fehlende Präsenz „autochthoner“ Ostdeutscher in den ersten Wahrnehmungs- und Verantwortungsreihen bundesdeutscher Elitenzusammenhänge kritisiert er berechtigterweise. Bedauerlicherweise aber gewichtet er erstens nicht ausreichend, daß just die herrschenden Gruppen grüner Provenienz in Politik, Zivilgesellschaft und Medienlandschaft hauptverantwortlich für die grassierende Geringschätzung der Deutschen in den „neuen Bundesländern“ sind. Zweitens will er – klassisch grün? – das Kind mit dem Bade ausschütten. Helfen solle nämlich zuallererst nicht eine offensive Überwindung altwestdeutscher Verblendungszusammenhänge, denen zufolge „die Ossis“ Hinterwäldler und Nichtleister sind. Helfen solle ausgerechnet eine Quote – noch eine! Und zwar eine Ost-Quote: „Inzwischen glaube ich, daß es sich wahrscheinlich anders nicht regeln lassen wird.“ Und wie bestimmt man diese Quote? Wer ist definitorisch überhaupt „Ostdeutscher“ und wer nicht, wenn man hierzulande nicht einmal mehr definieren mag bzw. darf, was ein „Deutscher“ sei?
Apropos: Natürlich plädiert Oschmann zeitgeistkonform für mehr Zuwanderung. Man könne dadurch „finanziell reich werden, intellektuell und kulturell“. Belehrender Zeigefinger nach oben: „Das muß der Osten noch lernen.“ Am Ende klingt der vermeintlich originelle Ost-Erklärer Oschmann dann doch nur wie einer der zahllosen Politpädagogen aus dem grün-westlichen Mainstream.
Über den Autor:
Benedikt Kaiser, Jg. 1987, studierte an der Technischen Universität Chemnitz im Hauptfach Politikwissenschaft. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lektor und Publizist. Kaiser schreibt u.a. für Sezession (BRD), Kommentár (Ungarn) und Tekos (Belgien); für éléments und Nouvelle École (Frankreich) ist er deutscher Korrespondent.