von Hagen Eichberger
Was macht die rechte Szene aus? Klar: Metapolitik, Vorträge, Kongresse, Verlage, Bücher und neuerdings Buchmessen – Vorfeldarbeit eben; oder: Demos und Konzerte, also Subkultur und Lifestyle. Oder doch: Burschen, Scheitel und Völkis? Wahrscheinlich von allem etwas. Und so verschieden die „Mosaik-Rechte“ inhaltlich daherkommt, so unterschiedlich ist auch ihre Optik. Abgesehen vom Typus „Parteisoldat“ und „Berufspolitiker“, der sich seit der Nachkriegszeit nur unwesentlich verändert hat, bietet das rechte Milieu eine erstaunliche Bandbreite an Kleidungsstilen.
Die Kleidung der Straße
„Die Glatzen waren nie weg“, erfuhr der geneigte Leser in der taz vom 20. Juni 2024. Der unvermeidliche Andreas Speit durfte dort von „Neonazi-Strukturen um Grevesmühlen“ fabulieren. Einleitend heißt es da: „In Grevesmühlen ist der Oldschool-Look der Rechtsextremen wieder en vogue. Bomberjacke, Army-Hose, Glatze und Springerstiefel.“ Der Artikel ist eine Reminiszenz an die rechte Skinheadszene der 80er- und 90er-Jahre. Genau genommen war die „Army-Hose“ aber meist eine sogenannte „Domestos“-Hose oder Blue-Jeans, hinzu traten zu Bomberjacke, Glatze und Springerstiefeln – wer es sich leisten konnte von Dr. Martens – aber noch die Hosenträger. Und fertig war der Oldschool-Skin. In Deutschland entwickelte sich diese Szene um das Rechtsrockmilieu herum, zeitlich war hier der Höhepunkt in den 90er-Jahren. Ende der 90er- und Anfang der 2000er-Jahre wichen die Springerstiefel schon öfter einmal Sportschuhen (Sneakers) der Marke New Balance, die Bomberjacke wurde von Harrington-Jacken abgelöst, die Hosenträger verschwanden. Die „Autonomen Nationalisten“ setzten auf ein moderneres Image, die Übergänge zum „Casual-Look“ der rechtsoffenen Fußball- und Hooliganszene waren fließend. Seit der Jahrtausendwende nahm auch die Bedeutung von szenetypischen Tätowierungen zu, damit einhergehend auch Berührungspunkte zur Rockerszene, die sich auch in der (Kleidungs-)Optik – Stichwort: „Kutten“ – niederschlugen. Bis heute ist die nationalistische Szene im Kleidungsstil variabel und demgemäß auch nicht vor Modetrends zurückschreckend, sondern diese für ihre Zwecke aufgreifend. Gerade in der Mischszene von Kampfsport, Rockern, Hooligans und Kameradschaften ist optisch oft nur schwer zu unterscheiden, wer nun welchem politischen Flügel angehört.
Die Korporierten
Weniger Wandlung sehen wir hingegen in den farbentragenden Burschenschaften bzw. Korporationen insgesamt – Tradition wird hier groß geschrieben: Bei offiziellen Anlässen wird selbstverständlich das Band der jeweiligen Verbindung mit Stolz getragen, ebenso die für Verbindungen so prägende Studentenmütze. Dazu meist Hemd und Anzug – fertig ist der schneidige Burschenschafter. Nein, nicht ganz. Der aus der Mensur davongetragene Schmiß darf natürlich nicht fehlen.
Die „Völkis“
In völkischen Kreisen tragen die Männer meist regionale Trachten, bestehend aus Lederhose, Hemd und Janker oder Zimmermannshosen mit Hemd und variierenden Jacken. Auch jagdliche Kleidung ist nicht selten zu sehen. Den Damen sind Kleider und Röcke vorbehalten. Grundsätzlich wird hier auf die heimatliche Kultur auch in Kleidungsfragen Bezug genommen, wohingegen moderne westliche Gewänder wie die Jeans abgelehnt werden.
Gleichwohl ist beiden letztgenannten „Szenen“ eigen, daß diese nach innen wichtigen Identifikationspunkte – Kleidung und äußeres Erscheinungsbild – oftmals nicht im Alltagsleben getragen werden, sondern eher zu besonderen Anlässen und Festen als Ausdruck der gemeinsamen Sache zelebriert werden.
Die Neurechten
Im Umfeld der Neuen Rechten beobachten wir hingegen Mischformen, ein einheitlicher Szene-Code äußert sich hier nicht über die Kleidung. Gleichwohl: Um die 2010er-Jahre herum gab es aus der rechtsintellektuell-studentischen Szene den kurzzeitigen Versuch, eine Mischung aus burschenschaftlichen und neurechten Kleidungsstilen zu etablieren. Rund um die Modemarke „Pro Patria“, die Polohemden mit an das Verbindungsband angelehnten Stickereien versah, versuchte das neurechte Milieu auch einen rudimentär vereinheitlichten Kleidungsstil zu kreieren. Es blieb aber beim Versuch.
Exotischere Ausdrucksformen gab es in der Geschichte der deutschen Nachkriegsrechten aber selbstredend: Über martialisch und fast unifomiert auftretende Pseudoparteien über Wehrsportgruppen bis hin zu an Pfadfindern orientierten Jugendbünden – die Bandbreite war und ist groß, war oftmals aber nur ein temporäres Phänomen. Kleider machen Leute, aber noch lange keine Rechten. Nichtsdestoweniger tragen szenetypische Kleidung und Äußeres zur Identifikation, aber auch zur Abgrenzung innerhalb des Milieus bei. So war es, und so wird es wohl auch bleiben.