von Mario Kandil
Kalendarium Kandili (67)
Wer kennt heute außerhalb Norddeutschlands noch Fritz Reuter, den Dichter und Schriftsteller niederdeutscher Sprache? Am 12. Juli vor 150 Jahren verstarb der Mann, der als Wegbereiter einer Wiederbelebung der niederdeutschen Literatur gilt.
Am 7. November 1810 – also noch zur Zeit der französischen Dominanz in Deutschland – im mecklenburgischen Stavenhagen als Sohn des dortigen Bürgermeisters geboren studierte Fritz (eigentlich Heinrich Ludwig Christian Friedrich) Reuter in Rostock Jura. Er wurde allerdings der Universität verwiesen und geriet bei seiner Studienfortsetzung in Jena erneut in arge Nöte: Er sah sich wegen Mitgliedschaft in einer Burschenschaft 1832 erstmals verhaftet, 1833 wegen Majestätsbeleidigung neuerlich festgenommen und in der Festung Silberberg inhaftiert. Sein 1836 gefälltes Todesurteil wurde in 30 Jahre Haft umgewandelt, Reuter nach sieben Jahren entlassen. Damals duldete die Obrigkeit nichts, das nicht in ihr Weltbild paßte. Doch ist das heute so viel anders?
1842 zog Fritz zu seinem Onkel, einem Pastor, und wurde Volontär bei einem Gutspächter in Demzin. Wiewohl vom Vater enterbt ging der unangepaßte Mann weiter seinen Weg, begann seine Arbeit als Schriftsteller – zunächst auf Hoch-, dann auf Niederdeutsch – und nahm an der Revolution von 1848 teil. Erfolg hatte er vor allem mit Schwänken in Mundart. Langsam geriet sein Dasein in ruhigeres Fahrwasser, denn er ließ sich 1850 in Treptow nieder, arbeitete als Privatlehrer, wurde preußischer Staatsbürger, betätigte sich gar als Stadtverordneter und ehelichte 1852 Luise Kuntze.
Seine Zeit in Neubrandenburg 1856 bis 1863 war seine produktivste und glücklichste Phase. In dieser veröffentlichte er u. a. 1860 den heute noch bekannten Roman Ut de Franzosentid („Aus der Franzosenzeit“). Reuter, dessen Werk ab 1859 Dethloff Carl Hinstorff verlegte, wurde sogar die Ehrendoktorwürde der Universität Rostock zugesprochen – welch ein Wandel nach Reuters dortiger Studienzeit! Doch lange durfte sich der erst spät Anerkannte nicht seines Erfolges freuen, denn schon am 12. Juli 1874 verstarb Fritz Reuter in seiner Villa in Eisenach am Fuße der Wartburg.
In Reuters Werken finden sich feinsinniger Humor und moderate Satire, wobei er des Volkes Sprache beispielhaft einzufangen verstand. Das Niederdeutsche war für ihn ein Stilmittel, um seine Attacken gegen Obrigkeit und Adel zu verbrämen.
Über den Autor:
Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.