von Reinhild Bauer
Brauchtum (46)
Die Holunderbeeren leuchten schwarz durch das dichte Laub und zeigen uns den Herbst an. Der Holler als Zeigerpflanze ist nicht nur ein Indikator für den schwindenden Herbst, sondern zeigt mit dem Verwelken seiner Blüten an, wann das Wetter im Frühjahr beständig wird. Doch nicht nur dafür ist der Holler bekannt.
Seit der germanischen Urzeit verfolgt der Holler den Menschen und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Als Kulturfolger fühlt er sich besonders wohl in der Umgebung des Menschen und wächst vornehmlich überall dort, wo wir die Natur kultiviert haben, weshalb es fast keinen Hof und keinen Garten ohne Holler gibt. Dieser Strauch, der bis zu elf Meter hoch und hundert Jahre alt werden kann, wird mit der Göttin Hulda, auch Frau Holle genannt, in Verbindung gebracht. Sie war die Schutzgöttin von Haus, Hof, Menschen und Tieren und soll sich den Holunder als Lieblingsbaum gewählt haben. Der Sage nach werden ihre schützenden Kräfte durch den Busch den Menschen zugänglich gemacht. Es entwickelte sich der Brauch, an jedem Haus und Hof einen Holunderbusch zu pflanzen, um das Wohl der Bewohner zu stärken. Die Gesundheit des Hofhollers wurde mit der Gesundheit der Hausbewohner gleichgesetzt. Das Umschneiden eines Holunders soll Unglück und Krankheit bringen. Wenn ein Busch verdorrt, so gilt dies als Zeichen eines baldigen Todesfalles unter den Hausbewohnern.
Es ranken sich Liebesorakel um den in voller Blüte stehenden Busch, und das Maß für den Sarg wurde zeitweise mit einem Hollerstecken genommen. Um das Vieh vor Krankheiten zu schützen, wurde der Stallriegel aus seinem Holze geschnitzt, und die Felder wurden mit Hollerruten besteckt, um die Ernte vor Maulwürfen zu schützen. Noch aus dem 18. Jh. ist überliefert, daß dem Holler als Wohnort des guten Hausgeistes Opfer dargebracht wurden und man ihn beim erforderlichen Stutzen um Verzeihung bat. Kein Wunder, daß er, mit vielen Namen versehen, im ganzen deutschen Sprachraum eine wichtige Rolle spielt: Schwarzer Holunder, Holler, Holderbusch, Holderstock, Flieder, Elderbaum, Kisseke und Schwitztee. Über seine schützenden und vorraussagenden Kräfte hinaus ist er auch auf materieller Ebene eine Nutzpflanze. Die Anwendung der Blüten und Beeren als Genuß- und Heilmittel sind gut bekannt. Doch wer kennt neben Tee, Hollerstrauben, Sirup und Marmelade auch die Verwendung der Wurzeln, Rinde und Blätter?
Wenn Sie also einen Flecken Erde auf Ihrem Grund haben, der seiner Bestimmung noch harrt, so wäre der Schwarze Holunder auf jeder Ebene eine gute Wahl. Auch als Geschenk zum Einzug in ein neues Haus könnte man Freunden damit Segen und Nutzen bringen.
Über die Autorin:
28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.