von Reinhild Bauer
Brauchtum (41)
Mütter, euch sind alle Feuer, alle Sterne aufgestellt. Mütter, tief in euren Herzen schlägt das Herz der weiten Welt.
Hans Baumann
Blumen, Pralinen, Kosmetik und Pflegeprodukte, Gedichte und ein Menü – das ist laut Medien der Muttertag. Der Tag, der die Mütter ehren soll. Kann für etwas so Elementares überhaupt ein Tag reichen? Wir leben in einer Zeit, wo dem Muttersein so wenig Respekt und Anerkennung aus der Gesellschaft gezollt wird, wie selten im Laufe der Menschheitsgeschichte. Einmal im Jahr ist das Muttersein lobenswert und Grund für einen Festtag, welcher dann durch die erfolgreiche Werbemaschinerie jedes Jahr aufs neue zu einem absurden Fest des Konsums wird; während die restlichen 364 Tage des Jahres das Muttersein keineswegs ein anerkannter Beruf, geschweige denn eine Erfüllung für die Frau sein kann und darf. Gemessen an männlichen Leistungsstrukturen wird der Mutter täglich durch Politik, Medien und soziales Umfeld bedeutet, mehr leisten zu müssen als „nur“ Mutter zu sein.
Muttertag, wie wir ihn heute kennen, am zweiten Sonntag im Mai, ist ein aus den USA eingewanderter Brauch. Es ist der Todestag von Ann Maria Jarvis, welche sich für Frauen und gegen die hohe Kindersterblichkeit engagierte. Ihre Tochter beschloß – mit der Intention, ihrer Mutter ein Denkmal zu setzen und die Stellung der Frau in der Gesellschaft zu verbessern – die Einführung eines Gedenktages. Sehr erfolgreich, denn nur zehn Jahre später, am 8. Mai 1914, wurde der zweite Maisonntag zum nationalen Feiertag erklärt. Andere Länder folgten dem Beispiel, und so kam dieses Datum als Ehrentag für die Mütter 1923 schließlich auch nach Deutschland. Die Blumenindustrie soll dabei eine treibende Kraft gewesen sein.
Auch wenn der heutige Muttertag nur wenig deutsche Wesenszüge beinhaltet, so ist die Verehrung der Mutter etwas, das aus den ältesten Tiefen unserer Volkskultur stammt. Germanen und Kelten stellten die Frauen in ihrer Bedeutung sehr hoch, sichtbar in der Vielzahl ihrer weiblichen Götter. Sie wußten, daß die Mütter Grundlage eines stabilen Volkes sind. Sie akzeptierten die Wesensunterschiede der Geschlechter und achteten einander dafür. Die Notwendigkeit eines Muttertages war nicht gegeben, da die Mutter ohnehin im Alltag für ihre Aufgaben Würdigung erhielt. Erst das Christentum etablierte in unserem Volk eine Hierarchie der Geschlechter. Selbst die Marienverehrung, welche die Mutterverehrung im Christentum verkörpert, geht auf die Sturköpfe der Germanen zurück, die im Zuge der Christianisierung ihre Wesensart nicht preisgeben wollten und die Kirche zur Adaption ihrer Inhalte zwang – zu der Möglichkeit, Frauen zu verehren.
Über die Autorin:
28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.