Geburtstag von Peter Scholl-Latour

von Mario Kandil

Kalendarium Kandili (31)

Am 9. März 1924 kam in Bochum Peter Scholl-Latour unter dem Namen Peter Roman Scholl zur Welt. In einer Gegenwart, in der Möchtegernjournalisten lieber „Haltung“ zeigen und denunzieren, statt unvoreingenommen zu recherchieren und ihre Resultate nüchtern zu präsentieren, ist es fast unvorstellbar, daß einer wie der vor 100 Jahren geborene Grandseigneur des deutschen Journalismus’ auch nur annähernd einen Nachfolger findet.

Bei Ende des Zweiten Weltkrieges meldete sich Scholl-Latour, deutscher und französischer Staatsbürger, bei den französischen Fallschirmjägern und kämpfte bis 1947 in Indochina in einer Spezialeinheit. Im Anschluß an ein Politikstudium in Mainz und Paris sowie Arabischstudien in Beirut wirkte der gläubige Katholik ab 1950 als Journalist. Er übernahm vorzugsweise Einsätze an aktuellen wie potentiellen Konfliktherden weltweit.

Immer mehr erwarb er sich den Ruf des Nahostexperten schlechthin, doch ab 1960 war er auch in Afrika unterwegs. Stets zog es ihn nach Frankreich zurück, und so baute er dort ab 1963 das neue ARD-Fernsehstudio auf. Das hielt ihn aber nicht davon ab, regelmäßig nach Vietnam zu reisen. 1971 zum ZDF gewechselt und 1975-1983 Leiter des ZDF-Studios in Paris, kamen er und sein Kamerateam 1973 als Gefangene des Vietkongs weltweit in die Schlagzeilen. Auf diesen Erfahrungen basiert sein Buch Der Tod im Reisfeld (1979), das ein Bestseller wurde.

In den großen Weltkonflikten der letzten Jahrzehnte fand Scholl-Latour immer wieder seine Themen: Revolution im Iran, Palästinakonflikt, Golfkriege, Afrika, Balkan, Rußland und die Türkei. Sein Kontakt zu Ayatollah Khomeini öffnete ihm stets die Tür zu Anführern aus der islamischen Welt. Doch Kritiker warfen ihm vor, er stelle subjektive Eindrücke als Tatsachen dar und messe den Religionen zu viel politischen Einfluß bei.

Aber der 11. September 2001 und die Ereignisse danach ließen die Kritiker verstummen. Vieles, was er in seinen Büchern prognostiziert hatte, ist inzwischen Realität. Für die USA und ihren Kampf gegen den Terror bewahrte er sich immer reichlich Skepsis.

Scholl-Latour, der sich selbst einen Neokonservativen nannte, trieb große Neugier an die Brennpunkte des Weltgeschehens. Er war unter den deutschen Auslandskorrespondenten sicher einer der erfolgreichsten und erreichte alles, was ein Journalist erreichen kann. Bei seinem Tod am 16. August 2014 konnte er auf ein erfülltes Leben zurückblicken.

Über den Autor:

Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.

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