Schwerttanz – Edle Werbung

von Reinhild Bauer

Brauchtum (26)

Ein Narr voraus, die Schwerttänzer in Uniform oder Zunftstracht hinterher und am Schluß der Fahnenträger, flankiert von zwei Trommlern. So zieht ein bunter Zug auf dem Stadtplatz ein und vollführt kunstvolle Figuren mit Schwertern, Stöcken, Reifen oder sonstigen handwerksabhängigen Geräten. So oder ähnlich ist der Ablauf traditioneller Schwerttänze, die sich vom 14. bis zum 16. Jh. als aufsehenerregendes Spektakel bei den unterschiedlichen Zünften großer Beliebtheit erfreuten. Werbung der edelsten Form! Ein weiterer Zweck der Schwerttänze war das Ehren hoher Persönlichkeiten. Zumeist nutzten die verschiedenen Gilden, Zünfte und Berufsgruppen Feiertage, an denen ohnehin eine große Menschenmenge versammelt war, um ihren Tanz zu vollführen.

Als Brauch abseits vom ursprünglichen Zweck etablierten sich die Schwerttänze in den meisten Städten zur Faschingszeit. Der Schwerttanz gilt als Überbegriff für Tänze mit Waffen, Trachten oder Uniformen, die man in nahezu ganz Europa findet. Messertänze und Säbeltänze sind Unterkategorien dieser Tanzform. Der Reiftanz, selbst ein Sammelbegriff für verschiedenste Tänze und Bräuche, ist mit ihm verwandt und wird mancherorts auch gekoppelt dargeboten. Heutzutage gibt es nur noch wenige dieser Aufführungen. Die Auflösung der Zünfte sowie Waffenverbote führten zum Einschlafen dieser Tradition. Mancherorts fand eine bewußte Wiederbelebung statt, wie zum Beispiel im schwäbischen Ulm und in Überlingen am Bodensee.

 Eine zentrale Figur jeder Tänzergruppe ist der traditionelle Narr. Er tritt in unterschiedlichsten Formen auf und ist neben seiner Aufgabe des Possenreißens eine Darstellung des Todes oder des Teufels, der immer außerhalb der Gemeinschaft steht und verhöhnt wird.

Fälschlicherweise werden die Schwerttänze oft als Volkstanz bezeichnet. Obwohl natürlich die einzelnen Figuren auch unter den klassischen Volkstänzen zu finden sind, ist diese Bezeichnung unzutreffend: zum einen, weil dieser Tanz nie vom ganzen Volk getanzt wurde, sondern stets das Privileg einzelner Personengruppen war; zum anderen ist er fast 300 Jahrhunderte älter als die uns heute bekannten Volkstänze, die in ihrer jetzigen Form erst im 17. Jh. entstanden.

Als ältester überlieferter Schwerttanz gilt der Überlinger Schwertletanz, der ursprünglich aus der Berufsgruppe der Weingärtner kam. Zwar blieb auch dieser Brauch nicht vor Wandlungen verschont, doch gilt er heute mit seiner nahezu unverfälschten Tradition als einmalig in Deutschland. Ursprünglich Teil der Fastnachtsbräuche in Überlingen löste er sich im Laufe des 19. Jahrhunderts von dieser Jahreszeit und findet nun jährlich im Juli statt.

Über die Autorin:

28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.

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