Hoffmann von Fallersleben

Zum 150. Todestag eines unermüdlich Schaffenden

von Erik Lommatzsch

Am 19. Januar 1874 starb August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Zu seiner Beisetzung auf dem Friedhof neben der Abteikirche von Corvey fanden sich über 4.000 Personen ein, um dem populären Dichter und begnadeten Forscher, dessen Verdienste um die Germanistik, aber auch um die Erforschung des Niederländischen kaum hoch genug bewertet werden können, die letzte Ehre zu erweisen. Er gilt als einer der meistvertonten Dichter des 19. Jh., rund 80 Melodien hat er selbst geschaffen. Hinter Hoffmann, der seinem Namen bereits frühzeitig „von Fallersleben“ hinzugefügt hatte – ein Hinweis auf seine Herkunft, der vor allem einer Verwechslung vorbeugen sollte, lag ein geistig ertragreiches, aber unstetes, mit häufigen Ortswechseln verbundenes Leben.

Freiheit und Einheit Deutschlands waren ihm Orientierung. Die von ihm ausgemachte deutsche Verzagtheit prangerte er immer wieder an. In einem Gedicht mit dem Titel Mut heißt es etwa: „Lerne dulden und ertragen,/ lern im Unglück nicht verzagen!/ Wag es, frei und froh zu sein!/ Auch in diesen trüben Tagen/ ist ein Glück noch zu erjagen!/ Wag es – und die Welt ist Dein.“

Geboren am 2. April 1798 besuchte August Heinrich Schulen in Helmstedt und Braunschweig. Lustlos begann er in Göttingen ein Studium der Theologie, wechselte aber bald zu den klassischen Sprachen. Auch die Archäologie hatte es ihm angetan. Entscheidend für Hoffmanns weiteren Lebensweg wurde die Begegnung mit Jacob Grimm im Herbst 1818. Der Germanistik, als akademische Disziplin damals gerade erst im Entstehen, galt fortan seine wissenschaftliche Leidenschaft. Er ging nach Bonn und schloß sich der burschenschaftlichen Bewegung an. Mit dem Universitätsunterricht konnte Hoffmann wenig anfangen, ihm lag das Autodidaktische.

Rastloser „Märtyrer des Liberalismus’“

1823 kam er als Kustos an die Breslauer Zentralbibliothek. Der preußische Kultusminister von Altenstein berief ihn gegen den Willen der Breslauer Fakultät 1830 zum außerordentlichen Professor, später erhielt er eine ordentliche Professur für deutsche Sprache und Literatur. 1840/41 veröffentlichte Hoffmann in zwei Teilen die Unpolitischen Lieder. Dabei handelte es sich um eine Sammlung seiner Dichtungen, die bissig-kritisch, aber auch gekonnt-humorvoll eben gerade die von ihm als bedrückend empfundenen politischen Zustände der sogenannten Restaurationszeit anprangerten. Die Angesprochenen fühlten sich sichtlich getroffen, Hoffmann wurde pensionslos entlassen und schließlich aus Preußen ausgewiesen.

Immer wieder vertrieben und überwacht mußte er in den folgenden Jahren häufig seinen Aufenthaltsort wechseln und kam immer wieder bei Freunden unter. In einem biographischen Beitrag heißt es, er sei „als prominenter Märtyrer des Liberalismus’ durch Deutschland“ gezogen. An den revolutionären Vorgängen indes beteiligte er sich nicht. Vom Amnestieerlaß des preußischen Königs hingegen konnte er profitieren, das ihm nun zugestandene „Wartegeld“ ermöglichte dem 51jährigen eine späte Familiengründung. Zunächst im Rheinland und ab 1854 auf Empfehlung von Franz Liszt in Weimar ansässig gelangte er 1860 nach Corvey, wo er die Stelle des Schloßbibliothekars innehatte.

Weihnachtsmann und Deutschlandlied

Hoffmanns wissenschaftliche Leistungen sind insbesondere mit dem Aufspüren und der Edition zahlreicher alter und ältester Zeugnisse der deutschen Sprache verbunden. So entdeckte er bereits 1821 Bruchstücke des Evangelienbuches des Otfrid von Weißenburg (gest. um 863), dem ersten namentlich nachweisbaren althochdeutschen Dichter, oder 1834 das Gedichtfragment Merigarto, eine Erdbeschreibung, die auf das erste Viertel des 12. Jh. datiert wird. Über dreißig Jahre lang edierte er mit den Horae Belgicae altniederländische bzw. -flämische Quellen; mitunter wird Hoffmann sogar als Begründer der Niederlandistik bezeichnet. Auch dem Sammeln von Volksliedern, den Mundarten und der Namenskunde widmete er sich. Zahlreiche der von ihm selbst verfaßten Liedtexte sind bis heute beliebt, etwa Alle Vögel sind schon da oder Morgen kommt der Weihnachtsmann. Da Hoffmanns Weihnachtsmann auch „Trommel, Pfeife und Gewehr/Fahn und Säbel und noch mehr“ brachte, wurde der Text schon vor Jahrzehnten „angepaßt“ – die Unsitte des Umschreibens ist keine Erfindung unserer Tage.

Ein seltsames Schicksal war und ist dem Werk beschieden, welches gegenwärtig wohl am ehesten mit Hoffmann von Fallersleben in Verbindung gebracht wird: dem 1841 auf Helgoland entstandenen Deutschlandlied. Die dritte Strophe ist Nationalhymne der Bundesrepublik, während das öffentliche Intonieren der ersten Strophe für den Sänger mit unangenehmen Folgen verbunden sein kann.

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