von Reinhild Bauer
Brauchtum (18)
Das Erntedankfest in Kirchwerder, einem Stadtteil von Hamburg, findet mit langer Tradition alljährlich am ersten Sonntag im Oktober statt und beinhaltet den größten Erntedankumzug Norddeutschlands. Als Teil der fruchtbaren Elbregion werden die Vier- und Marschlande intensiv bewirtschaftet und haben eine lange bäuerliche Tradition. Das „Alte Land an der Elbe“ wurde im 17. Jahrhundert von niederländischen Siedlern urbar gemacht und erinnert noch heute mit den roten Ziegeldächern und weißen Giebeln an seine Gründer. Auf ebendiese Siedler gehen auch die Anfänge der Erntebräuche zurück, die sich bis heute erhalten und entwickelt haben.
Das Fest beginnt mit einem Gottesdienst zum Dank für die Ernte. Es folgt der Höhepunkt des Tages, der große Erntedankumzug, bei dem zahlreiche geschmückte Wägen durch die Straßen Kirchwerders ziehen. Der bunte Zug wird von Bauern, Vereinen, Brauchtumsgruppen, Schulen und der Kirchengemeinde gestaltet. Jede der teilnehmenden Gruppen schmückt einen Umzugswagen zu verschiedenen Themen aus Landleben und Ernte wie z.B. Obst und Gemüse, Getreide, Tiere, Blumen, Trachten und Musik. Der Zug endet üblicherweise am großen Sportplatz, wo anschließend ein Volksfest mit Tanz, Musik und Spielen stattfindet.
Erntemajestäten werden speziell für diesen Umzug alle zwei Jahre neu gewählt. Die Anforderungen sind Heimatliebe und ein offenes Gemüt, daß keine Menschen scheut, um die Vier- und Marschlande im Bereich des Brauchtums zu repräsentieren. Die gewählte Königin mit ihren zwei Prinzessinnen sind wichtige Trägerinnen der Vierländer Kultur. Sie treten stets in der heimischen Tracht auf und stellen diese als zeitgemäße Kleidung zu Festtagen dar.
Lange Zeit haben diese Trachten nur durch die Vierländer Trachtengruppe und die Veerlanner Speeldeel überlebt – zwei Vereine, die seit den 60er-Jahren um das Überleben der Vierländer Trachten, der norddeutschen Tänze und der plattdeutschen Lieder und Gedichte kämpften. Mit Erfolg, denn heute sieht man die farbenprächtigen und üppigen Trachten wieder häufiger auch an anderen Festtagen und Hochzeiten.
Das Erntedankfest in Kirchwerder zeigt die Verbundenheit der Menschen mit der Natur und mit ihrer Heimat und ist seit vielen Jahren wichtige Stütze für den Erhalt der norddeutschen Traditionen. Seit einigen Jahren erfährt es vermehrt Zulauf, und die Menschen gewinnen wieder mehr Freude an ihrer deutschen Kultur, was sich durch die gesteigerte Bereitschaft zur Mithilfe und die wachsende Zahl an angemeldeten Erntewägen bemerkbar macht.
Über die Autorin:
28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.