Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

100. Todestag von Friedrich Ebert

von Mario Kandil

Kalendarium Kandili (56)

Vor 100 Jahren, am 28. Februar 1925, verstarb mit Friedrich Ebert eine „Ikone“ der deutschen Sozialdemokratie in Berlin. Er war kein Schurke, als den ihn seine Gegner sahen, kein Opportunist, für den ihn viele seiner Genossen hielten, sondern ein Pragmatiker und Realpolitiker.

In Heidelberg wurde der spätere deutsche Reichspräsident am 4. Februar 1871 – kurz nach Gründung des Deutschen Reiches – geboren. In die Politik schaffte es Ebert nicht durch Studium oder Agitation, sondern durch das Gastgewerbe: Er führte seit 1894 in Bremen als Pächter eine Bierkneipe. Dort drangen ihm die Sorgen und Probleme seiner Gäste zu Ohren, und diese trug er ab 1905 als Parteisekretär dem SPD-Parteivorstand vor. 1913 kürte ihn die SPD-Basis zum Parteivorsitzenden, 1916 wurde er auch Vorsitzender der SPD-Fraktion im Reichstag.

Nach dem für Deutschland unglücklichen Ende des Ersten Weltkrieges wurde Ebert ab 11. November 1918 als Reichskanzler sowie ab 11. Februar 1919 als Reichspräsident der Konkursverwalter des untergegangenen Kaiserreiches, das nun in der „Weimarer Republik“ seine Fortsetzung fand. In Chaos und Anarchie zeigte Ebert, daß er als Sozialdemokrat kein „vaterlandsloser Geselle“ sei: Er zögerte nicht, für Ordnung und Sicherheit zu sorgen und zu verhindern, daß das in Trümmern liegende Deutschland wie Rußland in Blutvergießen und bolschewistischem Terror unterging.

Gedankt wurde Ebert dafür weder von seinen Parteigenossen noch von seinen Zeitgenossen allgemein. Erstgenannte sahen in ihm einen Verräter und Arbeitermörder und hörten nicht auf, ihn mit Verbalinjurien zu überschütten sowie seinen Ausschluß aus der SPD zu fordern; die anderen schmähten ihn als Landesverräter, weil er dabei half, im Januar 1918 einen Munitionsstreik zu organisieren, der Deutschland um den Sieg im Ersten Weltkrieg gebracht haben soll. Deshalb überschütteten sie Ebert mit beleidigenden Anklagen, die ihm seine Ehre abschnitten.

Aus dem Haus ging er nur noch mit einem Spazierstock, der ein getarnter Degen war, und in Begleitung von Kriminalbeamten. Als Ebert am 28. Februar 1925 starb, erlitt die Weimarer Republik einen herben Verlust. Diesen erkannten aber nur die einfachen Leute, von denen fast eine Million seinem Sarg folgten. Ihre Schuld gestand die SPD indirekt ein, indem sie in nur drei Tagen eine Stiftung ins Leben rief, die bis heute den Namen Friedrich Eberts trägt.

Über den Autor:

Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.

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